Ich habe das Buch über die namenlose Rebellin beinah in einem Rutsch gelesen. Einmal angefangen, kann man es gar nicht mehr weglegen, denn es fesselt ungemein. Die Geschichte ihres tragischen Selbstzerstörungstrips ist unvorhersehbar und durchweg spannend. Dabei baut die Autorin heftige Wendungen ein, die mich – ebenso wie das extreme Verhalten des norwegischen Mädchens – dezent schockierten. Für mich fühlt sich „Null“ wie ein Jugendbuch an, das nicht ganz zu Ende gedacht ist. Stilistisch betrachtet, beginnen alle fragmentarisch-anmutenden Sätze in einer neuen Zeile und enden ohne Punkt.
All die Extremsituationen, durch die die junge Protagonistin durchs Leben rast, sind ein Cocktail aus Drogen, Alkohol, massenhaft Zigaretten, Sex, Wut und ein wenig Euphorie. Sie ist die Art von Mädchen, das will, dass die Leute sie missverstehen und sie in Grund und Boden verurteilen. Dabei ist sie widersprüchlich, unberechenbar und psychisch schwer krank. Im späteren Verlauf der Geschichte und nach einigen psychiatrischen Behandlungen, bei denen sie mit Medikamenten verpfuscht wird, bezeichnet sie sich selbst als kranke Seele und detonierte Bombe. Ich glaube, das sagt alles. Zwischen den Zeilen spürt man diese unbändige Wut in ihr, die das Buch dominiert und alles ins Elend stürzen will.
Insgesamt empfinde ich den Fortlauf der Story und das zunehmend verzerrte Realitätsverständnis als zu viel, sodass ich gen Ende immer mehr Distanz zur Protagonistin aufgebaut habe. Insbesondere ab dem Punkt in der Geschichte, an dem sie wegen eines unglaublich klischeehaften Grundes impulsiv nach Peru reist. Leider wird auch Lateinamerika sehr stereotyp dargestellt. Die wirren letzten Seiten des Buches, die beim Leser* vermutlich gezielt eine Schockwirkung auslösen sollen, kamen mir wie ein absurd provokativer Albtraum vor.
Ich denke, „Null“ hat sein Potenzial nicht voll ausgeschöpft, dennoch ist es eine spannende Lektüre abseits des Mainstreams. 185 Seiten voller Rausch und Wut – originell, intensiv, beängstigend.
Gine Cornelia Pedersen: Null.
Aus dem Norwegischen übersetzt von Andreas Donat.
Luftschacht, Oktober 2021.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.