Wann ist man wirklich angekommen? Wann ist eine Flucht wirklich zu Ende? Und wann ist das neue Zuhause Heimat? Und schließlich die Frage, die mich während der Lektüre dieses Buches immer wieder beschäftigte: Wie verkraftet man solche Erlebnisse?
Elyas Jamalzadeh erzählt auf ganz ungewöhnliche Weise von seinem Leben auf der Flucht. Er wurde quasi auf der Flucht geboren, denn seine Eltern waren bereits aus Afghanistan geflohen, bevor er auf die Welt kam. So wurde er im Iran geboren und war dadurch weder das eine noch das andere, weder noch Afghane noch schon Iraner. Obwohl seine Familie viele Jahre im Iran lebte, kamen sie dort nie wirklich an, wurden nie anerkannt und blieben illegal. Was bedeutete, dass keiner von ihnen offiziell arbeiten durfte, die Kinder durften nicht in die Schule und Unterstützung bekamen sie auch nicht. Er war schon fast erwachsen, als die Familie beschloss, erneut zu fliehen, und zwar nach Österreich, wo eine seiner Schwestern bereits lebte.
Damit beginnt die Flucht, die Elyas zusammen mit seinen Eltern, beide nicht völlig gesund und daher körperlich wenig belastbar, über viele, viele Monate durch halb Europa trieb. Immer wieder geraten sie an betrügerische Schlepper, an korrupte Beamte, an gewalttätige Schergen, aber auch an mitleidige, hilfsbereite Menschen. Bei Kälte und Hitze, im winzigen Boot über das Meer oder auf klapprigen Lastern über unbefestigte Straßen.
Nach der Ankunft dann der Aufenthalt in Flüchtlingsheimen, wieder Behördengänge, langsam mahlende Behördenmühlen und mal mehr, mal weniger freundliche Behördenmitarbeiter. Bei all dem aber verliert Elyas weder seinen Mut noch seinen Humor.
Die Geschichte seiner Flucht erzählt er auf unnachahmliche Weise, mit heftigem Augenzwinkern, mit morbidem Witz, bei dem der Leserin jedes Mal das Lachen rau im Hals stecken bleibt. Dabei spricht er seine Leser und Leserinnen stets direkt an, fast meint man ihn zu hören, mit unterdrücktem Lachen und einem spöttischen Grinsen im Gesicht. Genau diese Erzählweise schafft eine ganz besondere Wirkung, erreicht mich viel mehr als Lamento, Klagen und bittere Vorwürfe. Denn unter den Scherzen, unter der durchsichtigen Glasur des Witzes und der Nonchalance erkennt man den Schmerz, die Narben und die Traumata, die erst das entbehrungsreiche Leben im Iran und dann die dramatische Flucht hinterlassen haben.
Dass Elyas Jamalzadeh das heute in dieser Form erzählen kann – dabei unterstützt von seinem Freund, dem Deutschlehrer Andreas Hepp – überrascht und berührt. Ein unbedingt lesenswertes Buch.
Elyas Jamalzadeh & Andreas Hepp: Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten.
Paul Zsolnay Verlag, Februar 2022.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.