Wie könnte der Mensch in 100 Jahren aussehen und leben? Es gibt zahlreiche Autoren, die ein Bild der Zerstörung, Angst und Hoffnungslosigkeit erschaffen haben.
M. Forsters Blick auf die Zukunft war ebenfalls nicht paradiesisch. Auch wenn Vashti ihr Zuhause für vollkommen hält. Ein vollautomatisiertes Zimmer unter der Erde ist ihr Fleckchen Heimat. Als ihr Sohn Kuno sie zu einem Besuch überredet, überwindet sie ihre Angst vor der Sonne und der Erdoberfläche. Dabei kann sie sich ein eigenes Bild machen. Und was sie durch ein Fenster des Luftschiffes sieht, ist ihr genauso fremd wie Kunos Bericht. Ohne Erlaubnis DER MASCHINE sei er nach oben geklettert. Zu Vashtis Überraschung überlebte er seinen Ausflug ins Freie, und seine Theorie treibt sie in die Flucht.
Edward Morgan Forster (1879 – 1970) zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhundert. Anfangs schrieb er Essays und Kurzgeschichten. 1905 erschien sein erster Roman »Engel und Narren«; 1924 sein letzter. In den achtziger und neunziger Jahren wurden all seine Romane verfilmt, darunter der erfolgreiche Film «Zimmer mit Aussicht«.
In seiner 1909 veröffentlichten Erzählung wohnen die Menschen kahl und zahnlos wie Maden in einer fauligen Frucht. Künstliche Luft und Nahrung pumpt DIE MASCHINE direkt in die wabenähnlichen Zimmer, so dass niemand mehr die schützende Hülle verlassen muss. Nur über Kabel und Bildschirm sprechen die passiv erzogenen Menschen miteinander, während DIE MASCHINE die Kontrolle übernimmt. Die Künstlichkeit des Systems findet sich auch im Erzählstil wieder. Für Poesie ist genauso wenig Platz wie für zwischenmenschliche Gefühle. Weil die Bewohner in Forsters Welt auch das Arbeiten verlernt haben, ist DIE MASCHINE für sie unersetzlich geworden. Zu jedem Zimmer gibt es ein Handbuch, das die Funktion der Schalter erklärt. Es hilft beim reibungslosen Überleben und erhält im Gegenzug einen bibelähnlichen Stellenwert. MASCHINE-SEI-DANK funktioniert das Miteinander. DIE MASCHINE gibt und nimmt.
Wie könnte der Mensch und sein Leben 2100 aussehen? Lebt er noch von seiner Arbeit? Und wie wäre heute ein Leben und Arbeiten, wenn die Maschine Internet still stünde? Forster hat eine Antwort gefunden. Sie dürfte kaum jemandem gefallen.
E. M. Forster: Die Maschine steht still (1909).
Hoffmann und Campe, Oktober 2016.
80 Seiten, Gebundene Ausgabe, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.
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