Daniel Defoe: Kapitän Singelton (1720)

bobBob Singelton ist ein Kind reicher Eltern und lebt in London. Als kleiner Junge wird er entführt und arbeitet nach einigen Jahren und Umwegen auf einem Überseeschiff, auf dem er ohne Heuer arbeiten muss. Eines Tages veranlassen rebellische Matrosen den Kapitän zu drastischen Maßnahmen. Dieser verbannt in einem kurzen Prozeß eine Handvoll der vermeintlichen Anführer auf eine Insel. Darunter befindet sich auch Bob. Zum Glück der Ausgesetzten setzen sich noch weitere Matrosen ab, um ihren Kameraden zur Seite zu stehen. Als Gruppe rechnen sie sich eine größere Überlebenschance in der Wildnis aus.
Wie sie schließlich afrikanisches Festland erreichen und von der Ost- zur Westküste wandern, Goldsucher und -finder werden, ist nur eines der vielen Abenteuer, das einen besonderen Seltenheitswert hat.
Bob landet als schwer reicher Mann in England und verliert mit Hilfe von Freunden sein Vermögen. Ihm bleibt letztendlich nur wieder die Seefahrt. Die Umstände machen ihn zum Freibeuter und im Laufe der nächsten Jahre zum Kapitän eines Piratenschiffes, das Teil einer schlagkräftigen Flotte ist.
Der Autor Daniel Dafoe (1660 – 1731) zählte zu den Multitalenten seiner Zeit. Als Kaufmann, Seefahrer, Zeitungsmacher, Politiker und Hallodri dürfte er in so mancher Hinsicht erfolgreich gewesen sein, zu der selbstverständlich auch die Erfahrung eines Bankrotts gehört. Im Alter von fast sechzig Jahren begann er mit dem Schreiben vieler Romane, Sachbücher und Biografien. Nach seinem berühmten Roman „Robinson Crusoe“ (1719) entstand 1720 „Kapitän Singelton“. Dieses Buch liest sich in erster Linie wie der chronologische Lebensbericht eines Freibeuters. Der Ich-Erzähler Bob Singelton verknüpft absolut gradlinig und ohne Stilmittel unzählige Ereignisse miteinander, ohne ausführlich fremde Orte zu beschreiben. Zahlreiche Abenteuer reihen sich lose aneinander. Auch wenn dieser Roman über keine Kapitel verfügt, besteht er inhaltlich aus zwei Teilen. Die Trennlinie wird mit dem Beginn der zweiten Karriere als Seefahrer gezogen.
Die persönliche Entwicklung des Charakters Singelton läuft sporadisch nebenher, bis die Themen „Reue“ und „Ausstieg aus dem Verbrecherleben“ bearbeitet werden. In dieser Hinsicht sind sicherlich auch die Lehren der Kirche berücksicht worden.
Die berufsspezifische Weltanschauung der Freibeuter, die für ihre Ziele bedenkenlos Menschen versklaven, verkaufen oder erpressen, dürfte bis heute gleich geblieben sein.
Hervorzuheben ist das Abenteuer auf Ceylon, wenn die in Seenot geratenen Piraten den einheimischen „Kollegen“ am Strand begegnen. Der ausführliche Bericht eines Opfers zeigt, welche Folgen ein Scheitern haben können.
Der Leser findet bei der Lektüre ein interesssantes Sittengemälde, dem leider der dramaturgische Bogen fehlt.

Daniel Defoe: Kapitän Singelton (1720).
Unionsverlag, September 2014.
384 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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