1970 verschwindet in der Stockholmer U-Bahn ein kleiner Junge. Über 40 Jahre später verschwindet auch sein jüngerer, mittlerweile erwachsener Bruder Joel spurlos. Die ängstliche Ehefrau des gutbetuchten Geschäftsmannes alarmiert dessen besten Kumpel aus der Zeit beim Militär. Danny Katz hat zwar selbst genügend Probleme in seinem Leben, begibt sich allerdings auf die Spur von Joel Klingberg, der bald ein nicht zu verachtendes Vermögen erben könnte. Die wichtigste Frage, die sich Katz stellt: Ist Joel freiwillig untergetaucht oder gewaltsam entführt worden? Seltsame Zahlungen in ein Steuerparadies lassen ihn misstrauisch werden.
Von der ersten Seite an ist man hier mittendrin im Geschehen. Kurz wird im Prolog die Entführung des kleinen Jungen beschrieben, die einen wirklich zur Gänsehaut führt. Der Vater und die beiden Söhne sind in der U-Bahn unterwegs und haben es eilig. Der ältere Sohn darf an der Hand einer Fremden die Treppe nehmen, Vater und jüngerer Sohn fahren mit dem Aufzug. Doch sie werden das Kind niemals wiedersehen. Denn unten kommt es nicht an. Die Suche bleibt erfolglos. Einige Jahre später sterben auch die Eltern, ob es ein Selbstmord war, bleibt trotz der offiziellen Version, die darauf hindeutet, unklar. Joel Klingberg ist deshalb ein zäher Bursche, der schon früh auf eigenen Beinen stand und vor allem vom Kindermädchen im Haushalt seines Großvaters großgezogen wurde. Eine Figur mit vielen Schattenseiten – wie auch Danny Katz, der Ermittler des Romans, der beispielweise lange Zeit abhängig von Drogen war und in den letzten Wochen vor Beginn der Handlung einen Rückfall hatte.
Dieser Roman möchte sehr viel, vielleicht zu viel. Zu jedem Thema, das irgendwie für einen Krimi oder die Gesellschaft im Allgemeinen interessant sein könnte, findet man hier etwas! Voll gepackt mit allerhand brisanten Geschichten wirkt „Schattenjunge“ deshalb oftmals überfrachtet. Hinzu kommt eine Handlung, die nicht immer das blühende Leben ist und vor allem im Mittelteil auf der Stelle tappt. Und doch ist der schwedische Erfolgsroman nicht von Grund auf schlecht. Auch wenn nicht immer alles logisch ist, lässt er sich doch gut lesen. Das liegt vor allem an Vallgrens flüssigem Schreibstil und der guten Arbeit der Übersetzerin Christel Hildebrandt. So vergeht der Roman trotz einiger langatmiger Kapitel rasch und hat durchaus manche spannende Sequenz.
Letzten Endes kann man „Schattenjunge“ lesen, vor allem wenn man skandinavische Krimis mag. Man muss es aber nicht, denn ein Glanzlicht des Genres ist dieser Roman sicher nicht, zu oft hat die Logik leichte Lücken, die Handlung ruhige Passagen und das Gesamtbild zu viele Mosaiksteinchen.
Carl-Johan Vallgren: Schattenjunge.
Heyne Hardcore, September 2014.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.