Benedikt Gollhardt: Westwall

Mit „Westwall“ legt der Autor sein Debükrimi vor, ohne ein Debütant zu sein. Als Drehbuchautor hat er sich bereits einen Namen gemacht. Der 1966 geborene Benedikt Gollhardt ist diesbezüglich durch sein Elternhaus vorbelastet. Sein Vater war Verleger und seine Mutter Pressereferentin für Verlagshäuser. Auch darum fällt es Gollhardt leicht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und mit schriftstellerischem Instinkt zu bearbeiten.

So ist es kein Zufall, dass die deutsche Nachrichtenlage im Frühjahr 2019 (während meiner eigenen Lektüre von „Westwall“) das Thema „Auftritt und Netzwerkbildung rechtspopulistischer Gruppierungen in Deutschland“ erstaunlich oft bearbeitet. Es sei unübersehbar, sagen die Medien, dass Diese Gruppierungen ihre Unterstützer nicht mehr am rechten Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft (Polizisten, Soldaten, Juristen, Politiker) rekrutierten. Diese neue Qualität rechter Tendenzen in unserem Land bilden die Hintergrundfolie für „Westwall“. Worum geht es?

Es geht um Gut und Böse. Es geht darum, was man tut, wenn sich die Grenzen von Wahrheit und Wirklichkeit auflösen und der Boden unter den Füßen ins Wanken gerät. Dies genau erlebt die junge Polizeischülerin Julia. Ihre persönlichen Wurzeln liegen mütterlicherseits im Dunkeln. Ihre Beziehungen sind gestört und der Sinn ihrer Werte als Ordnungshüterin infrage gestellt.

Dieser Mix an Unsicherheit lässt Julia in Situationen geraten, die das Potenzial haben, sie in Lebensgefahr zu bringen. Konkret soll sie als Lockvogel angeworben werden, um für den deutschen Geheimdienst eine rechtsextremistische Terrorgruppe zu enttarnen. Diese Gruppe agiert aus den Wäldern der Eifel heraus. Sie hat sich die Ruinen des Westwalls für ihre Untergrundexistenz zunutze gemacht. Eine brisante Lage für Julia, die einen spannenden Plott erwarten lässt.

Eine Spannung, die der Autor geschickt auf seine Leser überträgt. Seine Sprache ist atmosphärisch dicht. Die kursiv gesetzten Gedanken der der Protagonisten helfen dem Leser, der Handlung zu folgen. Auch die kurzen aber präzisen Ortsbeschreibungen und die historischen Hintergrundinformationen zeigen dem Leser, dass der Autor sorgfältig recherchiert hat, und weiß, wovon er schreibt.

Natürlich ist die Wahl der Eifel als Kulisse für die Handlung kein Zufall. Der Autor braucht beides: die Stadt als Ballungsraum und den menschenleeren Wald. Der Nationalpark mit seiner Historie bietet sich für den „Showdown“ der Geschichte an. Das die Eifel krimimäßig kein Unbelecktes, sondern eher ein mörderisches Pflaster ist, kommt dem Autor entgegen.

Ob sich das Gute wirklich durchsetzt, bleibt bis zum Ende offen. Jedenfalls hält der Plott bis dahin so manche Überraschung für den Leser bereit. Unterhaltend war die Lektüre auf jeden Fall. Aber manche Handlungsstränge haben mich nachdenklich gestimmt, auch wenn sie reine Fiktion sind. Es gibt keine Moral, keine Botschaft. Aber Westwall lädt ein, über demokratische Offenheit, Toleranz und Zivilcourage nachzudenken. Auch darum meine Leseempfehlung!

Benedikt Gollhardt: Westwall.
Penguin Verlag, März 2019.
496 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

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