„Gleißendes Glück“ von A. L. Kennedy aus dem Jahr 1997 erschien 2000 erstmals in deutscher Sprache im Verlag Klaus Wagenbach, Berlin. Nun hat es dtv als Taschenbuch aufgelegt, und im Herbst 2016 kommt die Verfilmung des Buches unter der Regie von Sven Taddicken mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur in den Hauptrollen in die deutschen Kinos.
Darauf darf man gespannt sein, denn „Gleißendes Glück“ ist ein 3-Personen-Stück am Rande des Wahnsinns: Mrs. Brindle ist eine von ihrem eifersüchtigen Ehemann Mr. Brindle misshandelte, ansonsten jedoch gelangweilte Hausfrau, die sich als fromme Katholikin in Gott verliebte, der sie nun verlassen hat. Aber vor allem ist Mrs. Brindle vollkommen einsam, sie hält sich mit Fernsehsendungen, Psycho-Ratgebern und Kochrezepten an ihrem öden Alltag fest. Bis sie eines Nachts den Psychologen Professor Edward E. Gluck in der Fernsehuniversität sieht und beschließt ein Buch von ihm zu kaufen. Er, der Glücksexperte, scheint die Antwort auf ihre Fragen zu sein. Und tatsächlich reist sie von Schottland nach Stuttgart, um ihn auf einer Konferenz persönlich kennen zu lernen. Mrs. Brindle, die Scheue und Edward E. Gluck, das Genie, beginnen eine vorsichtige, stets höfliche, altmodisch anmutende Beziehung. Und erst an dieser Stelle des Buches erfährt der Lesende Mrs. Brindles Vornamen: „Würden Sie auch gern etwas anderes für mich sein? Etwas anderes als Mrs. Brindle?“ fragt dort Professor Edward E. Gluck und Mrs. Brindle antwortet schlicht: „Helen.“ Aber auch Gluck hat eine sehr dunkle Seite, die Helen Brindle zurück zu ihrem gewaltbereiten Ehemann gehen lässt, der mit ihrer Bestrafung nicht lange zögert. Am Ende provoziert Helen einen Paukenschlag in ihrer Ehe und macht damit den Weg frei für eine zarte Liebe zu Edward E. Gluck.
Alison Louise Kennedy beschreibt die leise Annäherung zweier verwundbarer Menschen, die ihr gegenseitiges Glück sind, weil sie glauben, dass der jeweils andere die eigene Heilung bedeutet. Und es scheint zu funktionieren.
„Gleißendes Glück“ hat drei skurrile, beinahe wahnsinnige Figuren, die durch die Geschichte schweben, ohne Vergangenheit, ohne Familie und ohne Freunde. Nur am Rande Mr. Brindle als Prototyp des misshandelnden Macho-Ehemanns: grob, einfach, brutal. Er hält die Waage des Ehelebens durch Prügelattacken auf seine seltsam passive Ehefrau im Gleichgewicht. Mrs. Helen Brindle so naiv, dass es zuweilen schmerzt und dann wieder weise, dass man es bewundert. Und Professor Edward E. Gluck so eitel, nobelpreisverdächtig und doch verstörend arm in seinen sexuellen Phantasien. Eigentlich ist es eine Lese-Zumutung wie Kennedy die psychischen Abgründe ihrer Protagonisten aufdeckt. Denn obwohl die Figuren – jede auf ihre Weise – krank sind, erwerben sie die Sympathien (mit Ausnahme von Mr. Brindle) des Lesenden. Und das ist die Schreibkunst von A. L. Kennedy. Da legt man das Buch nicht aus der Hand, weil es einem zu absurd, zu abstoßend erscheint, sondern hofft mit den Figuren (mit Ausnahme von Mr. Brindle) auf ein – wenngleich fragiles – Happy End. Da wünscht man ihnen, die beinahe nicht aufhören können, in ihr eigenes Unglück zu rennen, viel Glück bei der Suche nach einem erfüllten (Beziehungs-) Leben mit Sinn.
A. L. Kennedy: Gleißendes Glück.
dtv, März 2016.
208 Seiten, Taschenbuch, 9,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.