Sigurður Pálsson: Gedichte erinnern eine Stimme

Gewöhnlich beginne ich meine Rezensionen mit einem Einblick in den Inhalt des beschriebenen Buches. Nun habe ich erstmals einen Lyrikband ausgewählt. Doch worum geht es in „Gedichte erinnern eine Stimme“? Erzählen diese Gedichte Geschichten? Ich meine ja. Sie sprechen vom Leben, von den Elementen, die es ermöglichen und bereichern, von Feuer und Schatten, Erde, Stimmen in der Luft, dem Wasser oberhalb und unterhalb.

Der isländische Autor Sigurður Pálsson, der nicht nur in der Lyrik unterwegs war, nimmt die Leserinnen und Leser mit in eine Welt der Poesie, die vom Alltag durchdrungen ist und die den Alltag durchdringt. Beides ist nicht zu trennen.

Gleich im ersten Gedicht „Feuer und Schatten“ ist zu lesen:

Sonnige Heiterkeit
Das ist die richtige Einstellung
So wollen wir ankämpfen
gegen das Bleierne und Dunkle
gegen Unrecht und Gewalt
die ganze lange Liste …

Diese optimistische und anpackende Grundeinstellung zieht sich durch das gesamte Buch. Dies ist umso erstaunlicher, als der Autor bereits von seinem nahen Tod wusste. Und so erzählt er auch von den Schatten, die auf das Glück fallen können, von der Nacht, vom Schweigen, vom letzten Tag. Doch nie habe ich das Gefühl, dass er mit dem Leben als Ganzes hadert, solange die Poesie, die Kunst, in ihm ihr Licht verbreitet.

Jedes einzelne Gedicht lässt Bilder in mir entstehen, vielfarbige Bilder der Hoffnung, der Liebe und des Lebens. Bei jedem Lesen entdecke ich neue Facetten, feinere Nuancen.

Bei Gedichten, die ursprünglich in einer anderen Sprache geschrieben wurden, kommt den Übersetzern eine ganz besondere Bedeutung zu. Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer haben hier – soweit ich das beurteilen kann – mit der Übertragung aus dem Isländischen hervorragende Arbeit geleistet.

Spannend ist es für mich – die ich bisher kaum mit Isländisch zu tun hatte – die Originale in dieser zweisprachigen Ausgabe mit den Übersetzungen zu vergleichen. Immer wieder entdecke ich bekannte Worte, kann Verbindungen knüpfen und mich von den unbekannten in meiner Fantasie weit forttragen lassen.

Sigurður Pálsson wurde für „Gedichte erinnern eine Stimme“ nur wenige Monate vor seinem Tod im September 2017 mit dem erstmals vom isländischen Schriftstellerverband und der isländischen Nationalbibliothek verliehenen Poesiepreis Maistern ausgezeichnet und postum für den Literaturpreis des Nordischen Rates 2018 nominiert. Verdiente Ehrungen für einen Autor und ein Werk, die mich von jetzt an begleiten werden.

Denn diese Gedichte können den Weg erhellen oder zumindest die Zuversicht auf ein Licht in der Dunkelheit wecken. Poetisch, schlicht und schnörkellos, zeugen sie kraft- und manchmal auch humorvoll von Lebensfreude, sind dabei dennoch ernsthaft und beschönigen nichts. Wie in „Die Dunkelheit der Nacht“:

Vertraue der Dunkelheit der Nacht
auf deiner Reise
der warmen liebevollen
Dunkelheit der Nacht

Dann wird deine Reise
voller Licht
von der ersten Zeile
bis zur letzten

Mir bleibt die Erkenntnis, dass aus Island nicht nur Skyr und gute Krimis kommen, sondern auch hervorragende Gedichte, die ich nur wärmstens empfehlen kann.

Pálsson Sigurður: Gedichte erinnern eine Stimme.
elifverlag, Februar 2019.
132 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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Ein Kommentar zu “Sigurður Pálsson: Gedichte erinnern eine Stimme

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