John Niven: Alte Freunde

Der schottische Schriftsteller John Niven, geboren 1966, war Manager in der Musikbranche und in den 1980er Jahren Gitarrist bei „The Wishing Stones“. Heute lebt und arbeitet er in England. In seinem Buch „Kill your friends“ (2008) ging er mit der Musikindustrie satirisch hart ins Gericht. Das Buch wurde ein Bestseller und John Niven gilt fortan als „Bad Boy“ der englischen Literatur. Sein neuester Roman „Alte Freunde“ macht den fiktiven, alternden Musiker Craig Carmichael zu einem der Protagonisten der Geschichte. Der Wilhelm Heyne Verlag veröffentlicht „Alte Freunde“ in einer Übersetzung von Stephan Glietsch zum 30. Oktober 2017. „Alte Freunde“ – das sind Alan Grainger und Craig Carmichael seit der Schulzeit. Sie haben sich viele Jahre nicht gesehen bis zu einem Wintertag in London, an dem der erfolgreiche Gourmetkritiker Alan über den obdachlosen Musiker Craig auf der Straße stolpert.

Zunächst plaudern sie bei dem einen oder anderen Bier im Pub und dann bietet Alan seinem „alten Freund“ aus Mitleid an, übergangsweise bei ihm zu wohnen. Alan hat beruflich und privat offenbar alles erreicht. Er lebt glücklich und zufrieden in einem großen Haus mit seiner ebenfalls erfolgreichen, hübschen und reichen Frau Katie und seinen drei Kindern, Tom, Melissa und Sophie.

Craig hingegen ist nach seinem frühen Erfolg als Rockmusiker tief gefallen und lebt auf der Straße. Die Familie nimmt den „Exoten“ auf und bald reden sie von „Craigs Zimmer“ im Haus. Alan hatte als Junge und Teenager immer um die Gunst des smarten, beliebten Craig gebuhlt, nun zeigt er ihm stolz, was er aus seinem Leben gemacht hat. Und er verhilft Craig zur Auszahlung von Tantiemen aus seiner Musikerzeit.

Doch irgendwie dreht sich das Blatt: je besser es Craig geht, umso mehr wird Alan beruflich und privat vom Pech verfolgt. Bald steht Alan vor den Trümmern seiner Karriere und seiner Ehe. Aber wie kann das alles sein?

John Niven hat mit „Alte Freunde“ eine bitterböse Geschichte über die Freundschaft zweier Jungen bzw. Männer geschrieben, die die von Anfang ihrer Beziehung an festgelegten Rollen der beiden entlarvt. Das macht er auf seine bekannt flapsige, respektlose Art. Da geht es um Sex, Drugs und Rock ‘n Roll, um Verdauungsprobleme und Alkoholmissbrauch. Die Musik- und die Medienbranche bekommen ordentlich beißende Kritik ab, oft witzig, manchmal niveaulos. Und seine Figuren müssen als Repräsentanten bestimmter gesellschaftlicher Gruppierungen einige Klischees erfüllen: Alan spielt Golf, Craig trägt lange Haare/Bart und Katies Vater ist ein Duke mit altem Herrensitz und Butler.

An manchen Stellen der Geschichte gerät es John Niven allzu banal, wenn er sich z.B. auf zwei Buchseiten über Alans Teetasse und Kinderfernsehsendungen auslässt. Und zuweilen geht mir als Lesende Nivens Analfixierung auf den Keks.

Doch was sich da wirklich zwischen Alan und Craig abspielt, das erzählt er auf eine leise, schleichende Art, die länger wirkt. Eine kleine Anspielung hier, eine gehässige Frotzelei dort und ein „unverschämtes Grinsen“ lassen es unter der freundschaftlichen Oberfläche brodeln.

„Alte Freunde“ ist kein Lobgesang auf eine lebenslange Männerfreundschaft, sondern eine bizarre Beziehungsabrechnung ohne Rücksicht auf Verluste, aber lesen Sie selbst.

John Niven: Alte Freunde.
Heyne, Oktober 2017.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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Ein Kommentar zu “John Niven: Alte Freunde

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