F. Schäfer, J. Pisarek & H. Gritsch: Hausgeister!

In Zeiten von Lichtverschmutzung und taghell beleuchteten Nächten haben sie es schwer, die Hausgeister, Wichtel und Kobolde und wie sie noch alle heißen. In Neubaugebieten, laborähnlichen Einfamilienhäusern und sterilen Penthouse – Wohnungen glaubt keiner mehr so recht an ihre Existenz.

Gritsch, Pisarek und Schäfer steuern dem Vergessen mit diesem Buch entgegen. Nach einem historischen Überblick erfährt man viel Interessantes über die archaischen Kollegen, die je nach geografischer Lage ihres Wirkungskreises Butz, Hausdüsterle, Jokele, Hickeding, Hinzelmann oder Puk genannt werden. „Der Glaube an Hausgeister ist ein weit verbreitetes Phänomen. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit besitzen sie fast immer eine Schutzfunktion. Somit leben und wirken Hausgeister in bewohnten und bewirtschafteten Häusern, entweder als einnehmender Platzgeist oder als Seelen der Hausbauer- was archaischen Denkmustern entspricht. Es gilt: der Hausgeist sucht sich selbst aus, wo er wohnt. So kann er seit Anbeginn Teil des Hauses sein oder nachträglich, beispielsweise durch aufgelesene Gegenstände wie Holz, ins Haus kommen…“ (S. 27)

Die Autoren folgen den Spuren zahlreicher Märchen- und Sagensammler wie z.B. natürlich den Brüdern Grimm aber auch vielen anderen.

Es werden Kobolde näher vorgestellt, Poltergeister, Hausteufel, Wichtel, Zwerge und Klabautermänner. Vielfach beschützen und unterstützen sie „ihre“ Menschen, sofern die sich ordentlich benehmen, z.B. nicht fluchen und fleißig sind. Man muss die nichtmenschlichen Wesen respektieren, manchmal auch verköstigen. Tut man das nicht, werden sie zornig und richten Schaden an. Grundsätzlich aber sind sie mit Humor gesegnet, necken die Menschen gelegentlich und sind um ein gutes Auskommen bemüht.

Gruselig wird es im Kapitel „Das Geldmännlein“, das sich auch mit der „Zauberpflanze“ Alraune beschäftigt. Segen und Schaden liegen oft nahe beisammen, wenn man sich mit Überirdischem und Zauberei einlässt.

Aber nicht nur Hausgeister werden aus dem Dunkel des Vergessens geholt. Ein Kapitel widmet sich den Geistern des Waldes, Waldfräulein und Holzfrauen.

In diesem ausgezeichnet recherchierten und überaus interessanten Buch kommen im dritten Kapitel auch namhafte Wissenschaftler zu Wort, die aus ihren Forschungsgebieten berichten. Von römischen Hausgöttern, mittelalterlichem Hausgeisterglauben, Trollen und Elfenmärchen ist die Rede, von Wechselbalgen und Geistererscheinungen in der Gegenwart.

Der Künstler Florian Schäfer hat versucht, mit seinen Skulpturen den alten Geistern Gesichter zu geben. Manche von ihnen sind etwas gruselig geraten aber das liegt ganz im Auge des Betrachters. Hannah Gritsch setzt sie fotografisch in Szene und erweckt sie gleichsam in Bildern zum Leben. Texte und Fotos bilden eine einzigartige Komposition, die dem Leser die Gedanken- und Lebenswelt unserer Vorfahren fast magisch vor Augen führt.

Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, wenn der Glaube an archaische Wesen mitten im Herzen Europas in einem Buch so fundiert und gut lesbar dargestellt wird, bevor das Wissen darum gänzlich verloren geht.

Denn sie sind immer noch da, die alten Gestalten. Nur sieht es so aus, als seien einige von ihnen im 21. Jahrhundert in die digitale Welt übersiedelt. Auch dort gibt es z.B. Gnome, Zwerge und magische Wesen, die in diversen Spielen vertreten sind. Das Thema ist also keineswegs altväterlich und verstaubt, sondern brandaktuell!

Florian Schäfer, Janin Pisarek, Hannah Gritsch: Hausgeister! Fast vergessene Gestalten der deutschsprachigen Märchen- und Sagenwelt.
Böhlau Köln, August 2020.
200 Seiten, Gebundene Ausgabe, 35,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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