Das Universum im 26. Jahrhundert: Die Erde ist ein verseuchtes Ödland, nur noch ein Bruchteil der einstmaligen Weltbevölkerung lebt auf ihr. Die Menschen sind teils gestorben, teils ins All ausgewandert. Deshalb gibt es auf zahlreichen Planeten Kolonien. Doch eins konnte dabei nicht gelöst werden: Die Energiequellen und Ressourcen werden dennoch langsam knapp. Um diesem entgegenzuwirken, machen speziell ausgebildete Menschen Zeitreisen, die Chronauten. James Griffin-Mars ist einer von ihnen, ein sehr guter sogar. Er ahnt allerdings nicht, dass sein neuer Auftrag auf der Erde alles verändern wird und sein komplettes Weltbild infragestellt.
Wesley Chu ist mit „Zeitkurier“ ein sehr interessanter Zeitreisen-Science-Fiction-Roman gelungen, der ohne viel Technik auskommt. Man muss nicht seitenweise über den Aufbau von Raumschiffen und deren zahlreiche Knöpfe lesen, sondern kann sich mit dem Problem der Zeitreisen und den Auseinandersetzungen der Menschen mit ihrer Umgebung befassen. Die Zeitreisenden werden jahrelang getestet und ausgebildet, nur die besten schaffen die Prüfung. Und selbst dann dürfen sie nicht in kritische Zeiten, etwa die Weltkriege, hineinspringen. Das dürfen erst erfahrene Chronauten wie James. Damit die Zeitreisen nicht ganz aus dem Ruder laufen, sind bestimmte Gesetze einzuhalten. Ändert sich etwas in der bereisten Zeit, wird dies Verwerfung genannt. Ziel ist es, so wenige Verwerfungen wie möglich zu kreieren, damit diese möglichst schnell heilen und der Zeitstrom intakt ist. Ist zum Beispiel ein Chronaut mit der Bergung von Brennholz bei einem Waldbrand beauftragt, muss er dafür sorgen, dass der Wald trotz seines Einsatzes auch wirklich abbrennt. James hat die Gesetze verinnerlich, nimmt sie aber nicht allzu ernst. So kommt es dann auch, dass er eine Person aus der Vergangenheit mit in die Gegenwart bringt und damit eines der wichtigsten Zeitreise-Gesetze verletzt.
James ist generell kein einfacher Fall. Bisweilen macht er den Zugang zur Geschichte sogar schwer. Er hat seinen Job im Wesentlichen satt und betrinkt sich meist maßlos. Er hat nur einen guten Freund, seinen Lotsen Smitt, sonst kann den Widerling keiner leiden. Smitt kennt James schon lange und kann ihn eigentlich auch nicht wirklich leiden, hält aber zu ihm und macht seinen Job. Wie sollen ihn dann die Leser und Leserinnen leiden können? Nun, das ist nicht einfach, aber irgendwie fügt sich die tolle Geschichte um diese sperrige Figur herum und wird trotzdem interessant und turbulent.
Science-Fiction ohne viel Schnickschnack mit dem spannenden Thema Zeitreisen. Das macht Lust auf mehr. Im englischen Original gibt es unter dem Titel „Time Siege“ tatsächlich eine Fortsetzung zum Cliffhanger im ersten Band. Bleibt zu hoffen, dass dieser auch deutschen Lesern und Leserinnen nicht vorenthalten wird!
Gelungene Unterhaltung, wenn auch die Hauptfigur den Zugang zur Geschichte maßgeblich erschwert.
Wesley Chu: Zeitkurier.
Heyne, August 2017.
496 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.