Sabine Kray: Freiheit von der Pille

Für die Zeit ONLINE Autorin Sabine Kray bedeutet die Freiheit von der Pille, ein Leben ohne Pille, also eine Verhütung ohne Hormone. Ihrer persönlichen und zugleich informativen Unabhängigkeitserklärung darf man Ehrlichkeit unterstellen, denn sie schreibt: »… Es ist ein einseitiges Buch, was nicht heißen soll, dass die zitierten medizinischen und historischen Fakten nicht sorgfältig recherchiert und belegt wären.« (S. 9) Die Leserin findet eine Fülle von Quellenhinweisen, die ein fundiertes Eintauchen in die Themen Verhütung und Selbstbestimmung der Frau zur eigenen Gesundheit bieten. Ist zum Beispiel der Zyklus durch die Einnahme der Pille gestoppt, wirken andere Konzentrationen der Botenstoffe auf die weibliche Psyche ein. Der veränderte Hormonhaushalt hat Folgen. »…, denn die Selbst- und Fremdwahrnehmung verändert sich … Mit der Pille wird das alles geglättet, ein wenig überspitzt ausgedrückt ist das wie ein Jahr ohne Jahreszeiten: gleichbleibende 19 Grad bei leichter Bewölkung, … » (S. 83, 84) Welche Frau möchte so leben?

Im Hinblick auf die messbaren Nebenwirkungen wie Embolie, Thrombose, Herzinfarkt, Schlaganfälle, Gebärmutter- und Brustkrebs fehlen leider präzise Angaben. Wie hoch besteht tatsächlich die Chance einer Erkrankung? Wie viele Frauen von 1000 müssten mit den unerwünschten Wirkungen rechnen? Darf eine Frau mit einer oder sogar mehreren Erkrankungen rechnen?

Sehr erfrischend wird die Lektüre, wenn die Autorin den Kosten-Nutzenfaktor behandelt. Wer über begrenzte finanzielle Mittel verfügt, kann überlegen, inwieweit fortlaufende Kosten der Pille über Jahre hinweg lohnen. Schließlich gibt es nur wenige fruchtbare Tage in einem Zyklus, in denen ein besonderer Schutz gebraucht wird. Die Preisfrage für alternative Methoden muss jede Frau dann für sich allein beantworten, nachdem sie die für sie optimale Verhütung bezüglich Sicherheit und unerwünschte Wirkungen gefunden hat. Wer regelmäßig Alkohol, Medikamente und/oder Partydrogen zu sich nimmt, darf sicher sein, dass die sichere Pille an Sicherheit verliert.

Wenn die Autorin über die Freiheit von der Pille schreibt, sieht sie darin die Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie. Wer die eigene Entscheidungsfindung wahrnimmt, hat die unterschiedlichen Verhütungsmethoden im Fokus, über die vorher nie nachgedacht wurde. Auch anderes wird bewertet: Wer verdient als Informant das Vertrauen? Wer verdient an diesem Vertrauen, und welche Lebensform und -anschauung stehen hinter dem »gutgemeinten« Rat?

Sabine Krays Unabhängigkeitserklärung ist letztendlich auch eine Abhängigkeitserklärung von den Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft. Karriere und Familie, das mediengeprägte Frauenbild bringen Sachzwänge, die nicht jede Frau gebrauchen kann.   Frauen könnten sich untereinander in diesem Kontext helfen … so wie die Autorin.

Sabine Kray: Freiheit von der Pille.
Tempo, November 2017.
144 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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