Einen herausragenden Coming-Of-Age-Roman liefert der französische Schriftsteller Nicolas Mathieu mit seinem Werk „Wie später ihre Kinder“. Er schildert darin das Heranwachsen von einigen Jugendlichen im fiktiven französischen Städtchen Heillange. Seit dort das einst florierende Stahlwerk geschlossen hat, leben die Menschen in einer hoffnungslosen, tristen Region – so auch Anthony, dessen Vater aggressiv ist und Alkoholprobleme hat, oder Hacine, der aus einer marokkanischen Einwandererfamilie stammt, sich langweilt und mit Drogen dealt.
Doch auch wenn ihnen die Welt, in der sie leben, keine gute Basis bietet, wollen diese Jugendlichen doch all das, was fast alle männlichen Teenager wollen: Mädchen kennenlernen, sich amüsieren und einen fahrbaren Untersatz haben – nur dass alles, was damit zusammenhängt, in Heillange erheblich rauer abläuft als anderswo, inklusive roher Gewalt und Kriminalität …
Nicolas Mathieu, der für diesen Roman mit dem Prix Goncourt 2018 ausgezeichnet worden ist, begleitet die Jugendlichen über sechs Jahre hinweg: von 1992 bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 1998. In dieser Zeit hat der Leser mehrmals Gelegenheit, seine Sympathien oder Antipathien für einzelne Figuren zu wechseln – und gerade das macht diesen Roman so gut: Keine der Figuren ist nur gut oder nur böse. Mathieu ist weit entfernt von Schwarz-Weiß-Malerei. Er setzt auf die Zwischentöne. Das gibt seinem Buch einen glaubwürdigen, gut nachvollziehbaren psychologischen Tiefgang, der weit über das französische Niemandsland hinausreicht: Solche Jugendlichen gibt‘s überall. Insgesamt sehr empfehlenswert!
Nicolas Mathieu: Wie später ihre Kinder.
Hanser, Juli 2019.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.