Leonard Gardner: Fat City (1969)

Tully und Ernie suchen ihren Platz im Leben, ein bisschen Glück und die richtige Frau. Während der eine mit dreißig Jahren seine gescheiterte Boxkarriere hinter sich hat, will der junge Ernie die eigene noch finden. Beide strampeln sich ab und je mehr sie hoffen und schuften, um so mehr rückt die Hoffnung von ihnen ab.

In Stockton, der Fat City der fünfziger, sechziger Jahre, sind viele arm und desillusioniert. Die Umstände erlauben kein Glück. Wo Chancen verschwunden sind, da wächst der Friedhof der Hoffnungen ins Uferlose. Die meisten Bewohner haben für ihre geplatzten Träume bereits Grabsteine aufgestellt. Der Autor Leonard Gardner, geboren 1933 in Stockton, hat mehr als einen wunderbaren Boxroman geschrieben. Er ist vielmehr eine Milieustudie der poor working men seiner Heimat. Deshalb wirken alle Charaktere genauso lebendig wie ihre Lebensbedingungen. Sie alle schwitzen und leiden. Während in den Rocky Filmen der heroische Gedanke vom amerikanischen Traum herausgearbeitet wurde, sieht es in Fat City ganz anders aus. Es scheint, als haben sich Chancenlosigkeit und die Trennung zwischen Reich und Arm etabliert.

Stimmungsvoll setzt der Autor die Sprache ein, um über die Beschreibung des Außenlebens auf das Innenleben seiner Helden zu verweisen. „… In dem Haus unter den Schwarznussbäumen gingen die Tage dahin wie eine einzige lange Dämmerung, kaum ein Sonnenstrahl fiel durch die wuchernden Sträucher vor dem Fenster.“ (Anfang Kapitel 4)

Die Reichen sind in Tullys und Ernies Wirkungskreis genausoweit weg wie der Erfolg, für den sie strampeln. Mal rollt er in einer weißen Strech-Limousine an den Feldern vorbei, wo die Tagelöhner für ein paar Dollar stramm stehen. Oder der gesichtslose Reiche sahnt bei den Boxkämpfen ab. Er verdient an den Eintrittsgeldern, während die Boxer für ein mageres Preisgeld Gesundheit und Leben riskieren. Wirkungsvoll setzt Gardner hierfür die Boxszenen ein:

„… wenn Ernie nach einer Runde, die er mit Tänzeln und Jabs zugebracht hatte, in die Ecke zurückkehrte, klatschte ihm ein nasser Schwamm ins Gesicht. Er wurde abgerieben und abgeklopft, durchgeknetet und massiert. Jemand goss ihm kaltes Wasser in die Hose. Er wurde beschimpft und gemaßregelt, aber nichts davon drang zu ihm durch. Wenn er aufstand, zogen sie ihm das Handtuch unter der Nase durch, und der Ammoniakgestank ließ ihn aufschrecken.“ (Aus Kapitel 7)

Für die umherreisenden Wanderarbeiter gibt es Showkämpfe. Dort zeigen die Veteranen des Boxsports ihre zerstörten Gesichter wie Orden, bis das Glück der Bekanntheit sie endgültig verlässt.

In Fat City sind die Gewinnchancen klar verteilt. Ob die Boxer es akzeptieren oder nicht, die Würfel sind bereits vor ihrer Geburt gefallen.

Mit der Schönheit seiner Sprache mildert Leonard Gardner die Wucht der Armut ab, ohne sie zu banalisieren. Leider, leider gibt es von ihm nur diesen einen Roman.

Leonard Gardner: Fat City (1969).
Blumenbar, April 2017.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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