Karin Kalisa: Bergsalz

Franziska Heberle, alleinstehende Witwe aus dem Allgäu, lädt spontan ihre Nachbarin Johanna, ebenfalls alleinstehende Witwe, zum Mittagessen ein, als diese bei ihr klingelt, um sich Mehl auszuborgen. Elsbeth, alleinstehende Witwe, klingelt wenig später bei Franzi, um sich ein Paket bei ihr abzuholen. Auch sie landet auf der Bank beim Küchentisch und wird bewirtet. Bald versammeln sich sämtliche alleinstehenden Witwen (oder-noch-nicht-ganz-Witwen mit pflegebedürftigen Ehemännern) also alle alten Frauen des Dorfes bei der einen oder der anderen, um gemeinsam zu kochen und zu essen. Weil die Küchentische nicht mehr alle fassen können, revitalisieren die Ladys die Küche des stillgelegten Gasthauses „Rössle“.

In besagtem „Rössle“ sind Flüchtlinge einquartiert. Auch sie werden in der „Offenen Küche“ mitbekocht, alle Vorbehalte werden ausgeräumt, alle Hürden überwunden. Märchenhaft oder unglaubwürdig – wie man es eben sehen will. Esma, eine Frau aus dem Nahen Osten, stößt zu der inzwischen unüberschaubaren Truppe und bringt einen orientalischen Touch ins Menü. Sie freundet sich mit Franzi an, nachdem sie gemeinsam aus einem Kübel Bad Reichenhaller Bergsalz gegessen haben. Aha. Daher kommt also der Titel.

Sabina, eine junge Frau aus dem Dorf, kehrt traumatisiert von ihrem Einsatz in Flüchtlingslagern nach Hause zurück, gesundet hier und wird schwanger von einem Mann aus North- Northumberland, dessen Geschichte man auch des Langen und des Breiten erfährt, was im Grunde für die Handlung nicht erforderlich wäre, aber naja.

Aufkeimende Widerstände gegen die „Offene Küche“ werden schließlich von einer aus dem Hut gezauberten Sozialpsychologin und Mediatorin namens Leyla de Chadavarian-Neugebauer grandios aus der Welt geschafft, bevor die Dame dann nie wieder vorkommt.

Zwischendurch wird der etwas ratlose Leser mit kursiven Textstellen konfrontiert, die historische Begebenheiten aus dem Dorf berichten. So habe ein Bauer, wie andere auch, sein Haus im Dorf abgetragen und in einer Einöde neu aufgebaut. Vorfahren von ihm waren bei einem Bauernkrieg gehenkt worden, darum wurde in einen Balken im Haus ein Bundschuh eingeschnitzt. Am Ende erfährt der Leser ausführlich von Franziska Heberles Tod und kurioser Himmelfahrt, während Sabina und ihr Freund in das seit 200 Jahren (!!!) leerstehende Haus mit dem Bundschuh einziehen und es bewohnbar machen.

Die Grundidee von „Bergsalz“ ist nett, aber dieses Buch will zu viel.

Alle Witwen des Dorfes treffen sich in Scharen zum Mittagessen, beleben ein von Flüchtlingen bewohntes Ex-Wirtshaus, können alle exzellent kochen, räumen sämtliche Ressentiments aus dem Weg, holen die Gebrechlichen und Uralten aus den Pflegeheimen zurück, weil es ja jetzt täglich etwas zu essen gibt, und gründen einen Dorfladen, nebst einer Apotheken-Außenstelle.

Dazwischen grundeln die historischen Puzzleteile herum. Dieser Eintopf ist nicht recht geglückt. Da sind zu viele einzelne Zutaten miteinander verkocht.

Auch die um das zu Sagende herumgewundene Sprache und die verschachtelten Sätze bringen den Lesefluss nicht wirklich in Gang.

Dieses Buch schenke ich einer öffentlichen Bibliothek. Es mag seine Leser finden. In meinem Bücherregal bleibt es nicht stehen.

Karin Kalisa: Bergsalz.
Droemer, November 2020.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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