Jussi Adler-Olsen: Selfies

Der dänische Autor Jussi Adler-Olsen (Jahrgang 1950) hat mit seiner Thriller-Reihe um das Sonderdezernat Q in Kopenhagen international Erfolg. Der erste Band „Erbarmen“ von 2008 verkaufte sich millionenfach. Dieser und die nachfolgenden Bände „Schändung“ und „Erbarmen“ wurden verfilmt. In Deutschland haben Jussi Adler-Olsen und sein Ermittlungsteam eine große und treue Fangemeinde. So wundert es auch nicht, dass der siebte Fall für Kommissar Carl Mørck und seine Assistenten Assad und Rose die Bestseller-Listen stürmt. „Selfies“ (in einer Übersetzung von Hannes Thies) erschien am 10. März 2017 bei dtv.

Und es gibt viel zu tun für das Sonderdezernat Q im Keller der Kopenhagener Polizei. Da ist der alte, ungelöste Fall einer jungen Lehrerin, die erschlagen wurde, der auch den pensionierten Kollegen von der Mordkommission Marcus Jacobsen  beschäftigt. Nun gibt es Parallelen zu der Ermordung von Rigmor Zimmermann, eine ältere Dame, die ebenfalls erschlagen in einem Park gefunden wurde. Jacobsen nimmt Kontakt zu Carl Mørck auf. Der schlägt sich derweil mit den angeblich miserablen Aufklärungsstatistiken seiner Abteilung herum, der die Schließung droht.

Rose ist in schlechter Verfassung und meldet sich nach einem kurzen Streit mit Carl wegen eines fehlenden Berichtes krank. Zur gleichen Zeit versuchen drei junge Frauen, beim Sozialamt finanzielle Unterstützung für ihr Leben im Müßiggang zu bekommen. Ihrer Sachbearbeiterin, Anne-Line Svendson,  gehen diese „Sozialschmarotzer“ gehörig auf die Nerven und als sie an Brustkrebs erkrankt, fasst sie einen mörderischen Plan.

Bald darauf macht ein Autofahrer Jagd auf die jungen Frauen und überfährt sie rücksichtslos. Carl, Assad und Gordon versuchen die beiden Morde aufzuklären und machen sich Sorgen um Rose, deren Schwestern die drei um Hilfe bitten. Die Vergangenheit mit dem gewalttätigen Vater scheint Rose so zu übermannen,  dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt. Dabei spielt der Unfalltod des Vaters eine zentrale Rolle für Roses Traumatisierung.

Nach und nach decken die Ermittler des Sonderdezernates Q die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fällen auf und bringen Licht in Roses familiäre Vergangenheit. Nicht nur Kommissar Carl Mørck hat in „Selfies“ viel zu tun, sondern der Lesende auch. Gibt es doch mehrere Handlungsstränge, die zunächst einmal unabhängig voneinander scheinen. Da ist die Familie Zimmermann mit ihrer Nazivergangenheit, die jungen Sozialhilfeempfängerinnen und ihre Sachbearbeiterin, der mordende Autofahrer, die tote Lehrerin und nicht zuletzt Roses psychischer Notstand.

Doch irgendwie gelingt es Jussi Adler-Olsen die Stränge miteinander zu verbinden. Das wirkt auf mich als Lesende zuweilen konstruiert und recht weit hergeholt. Und grenzt im Fall des mordenden Autofahrers an Slapstick. Hier überspannt der Autor den Bogen (wie es zuweilen auch in den Münsteraner Tatorten vorkommt), das haben Carl Mørck, Assad, Rose und die anderen Figuren nicht nötig. Adler-Olsens Gesellschaftskritik hätten leisere Töne gut getan, so wie sie in seinen vorangegangenen Bänden der Reihe zu finden sind. Hier bemüht er mir allzu platte Klischees:

„Sie hatten so viel gemeinsam, es war echt unglaublich! Und so wurde ihre Ecke im Warteraum plötzlich zum Zentrum für guten Geschmack. Enge, helle Jeans und Tops von H&M oder Mango, Schmuck von Tiger oder aus den kleinen angesagten Boutiquen in den Nebenstraßen, dazu sorgfältig eingesetzte Extensions im Haar und High-Heel-Stiefeletten – aber klar, zwischendurch gingen auch mal Ugg-Boots und ein bisschen Kunstpelz, da waren sie sich einig.“  

Das habe ich bei ihm schon subtiler, eindrücklicher und fesselnder gelesen.

Nichtsdestotrotz ist „Selfies“ spannend und überraschend. Jussi Adler-Olsens siebter Fall für das Sonderdezernat Q in Kopenhagen erfüllt die Leseerwartungen an die Reihe, die Protagonisten bleiben ihrem Stil treu (wie Assad seinen Kamel-Vergleichen), und die Lesenden werden gut unterhalten.

Jussi Adler-Olsen: Selfies.
dtv, März 2017.
576 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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