Er hat gelernt, seine Büchereibücher immer pünktlich zurückzugeben. Nur deswegen geht er zu so später Stunde überhaupt noch in die Bibliothek. Und er hat gelernt, zu gehorchen.. Deswegen folgt er dem Bibliothekar auch dann, als dieser ihn in ein Labyrinth im Keller führt Zwar wird er dort eingesperrt, aber es scheint eine Luxushaft zu sein, weit von Wasser und Brot entfernt. Dort trifft er den Schafmann und das stumme Mädchen. Und er findet einen Weg, mit dem Verlust, der ihn erwartet, fertig zu werden.
„Die unheimliche Bibliothek“ ist nur ein dünnes Bändchen, aber zu der Geschichte gibt es noch reichlich Illustrationen. Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte so ganz anders als die großen Romane des Autors und doch ist sie es nicht. Auch hier verarbeitet er auf kafkaeske Weise Gefühle, verfremdet sie bis zur Unkenntlichkeit und doch hat der Leser sie am Ende verstanden – irgendwie. Die Szenerie wirkt unheimlich und doch ist es kein Horrorroman. Jede Gestalt in dieser Geschichte hat ihren Sinn und Zweck und passt nur deswegen in die Geschichte, weil sie so ist wie sie ist. So fremd sie auch auf den ersten Blick erscheinen mag.
Ein großartiges Buch, voller verdichteter Erzählkunst. Es ist zu erwarten, dass man bei jedem Wiederlesen Neues entdeckt und Anderes versteht.
Haruki Murakami: Die unheimliche Bibliothek.
Dumont, August 2013.
64 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.