Der dümmste Bauer erntet angeblich die dicksten Kartoffeln. Ob hinter der guten Ernte tatsächlich Dummheit stecken mag, darf bezweifelt werden. Letztendlich stellt sich die Frage, ob der »Dumme« möglicherweise populäre und kostenintensive Wege des Anbaus verlassen hat.
Die Klassiker des Gartenbaus könnte man wie folgt beschreiben: Umgraben, beetweise Bepflanzung, feste Wege in den Beeten, Düngen, chemische Unkrautbekämpfung und trotzdem Läuse, Raupen und Schnecken und stets sauber gefegte Beete mit freiem Blick auf nackte Erde.
Die von Gertrud Franck über Jahrzehnte erfolgreich praktizierte Mischkultur funktioniert anders. Ihre Gemüsebeete sind aufgelockert durch Reihenbepflanzung. Als Reihenbegrenzung wählt sie für das Frühjahr Spinat. In festen Abständen wechseln sich stark- und schwachzehrende Gemüsepflanzen ab, wobei jede von anderen Pflanzen aus der Gruppe der »positiven Nachbarschaft« begleitet wird.
In dieser Anbaumethode wird der Garten ganzheitlich betrachtet. Weil in der gesunden, freien Natur nackte Böden nicht vorkommen, übernimmt Gertrud Franck dieses Prinzip. Es folgt dem natürlichen Kreislauf von Keimen, Wachsen und Zersetzung, bei dem niedrige Pflanzen der Keimung nachfolgender höher wachsender Gemüsepflanzen den Weg bereiten.
Alles Gewachsene wird dem Boden zurückgeführt, in dem mit Pflanzen (-resten) sowie Gründüngung gemulcht wird. Daraus ergibt sich eine natürliche Düngung. Wildkrautwuchs geht zurück. Der Boden bleibt feucht, was wiederum den nachwachsenden Pflanzen und Kleinstlebewesen zugutekommt.
»… So wichtig wie die oberflächliche »Beeinflussung« der Pflanzen untereinander ist – etwa durch Duftstoffe …, so wichtig ist die für uns unsichtbare, aber wesentliche Beeinflussung der Pflanzen untereinander auch im Wurzelbereich: Durch Ausscheidungen, durch jeweils andere Beanspruchung von Nährstoffen und durch spezifische Bakterien, … die jede Pflanze im Boden hinterlässt.« (S. 20)
Auf diese Weise werden Böden auf natürliche Weise gepflegt, während sich gleichzeitig viele Arbeitsabläufe vereinfachen. Nie mehr Umgraben, wenig Jäten und deutlich weniger Schädlinge.
Neben dem Anbau von Gemüsepflanzen gibt sie hilfreiche Anregungen bei der Nutzung von Wildkräutern und Kräutern, beim Obst- und Beerenanbau.
Die Gesellschaft Boden und Gesundheit veröffentlichte in ihrem »Nachrichtenblatt« von 1957 bis 1965 eine Artikelfolge, in der Gertrud Franck über Mischkultur berichtete und damit der entstehenden Bioanbauszene Perspektiven eröffnete. Die von ihr verfassten Artikel wurden später zusammen mit einem Anbauplan in einer Broschüre vereint, die wiederum von 1965 bis 1980 neun Mal aufgelegt wurde. Danach erschien auf der Grundlage dieser Artikel beim Südwest Verlag das gebundene Buch »Gesunder Garten durch Mischkultur«. Dieses wiederum erschien in acht Auflagen bis 1991. Mit vielen Vorträgen im In- und Ausland begeisterte Gertraud Franck ihr Publikum, so dass inzwischen zahlreiche Nachahmer die Mischkultur schätzen gelernt haben.
Als Gertrud Franck vor siebzig Jahren ihre Pionierarbeit begann, gab es in der Regel regionales Saatgut. Jeder konnte sein eigenes Saatgut herstellen, weil die meisten Pflanzen saatfest waren. Heute ist die Sortenvielfalt deutlich geringer. Genetisch veränderte Pflanzen produzieren Saaten, die nicht mehr keimfähig oder für den Weiteranbau völlig ungeeignet sind. Darüber hinaus sind diese Pflanzen so gezüchtet worden, dass sie abgestimmten Dünger für gutes Wachstum brauchen. Gleichzeitig sind die veränderten Sorten anfällig für Krankheiten. Der Markt für chemische Hilfsmittel kann sich deshalb über viele neue Kunden freuen, die ausblieben, wenn sie krankheitsresistente, robuste Pflanzen aus der Region bevorzugen würden. Dank der Globalisierung finden sich immer häufiger fremde Pflanzen und Insekten im Garten ein, die wiederum eine eigene Dynamik entwickeln.
»Gertrud Franck (1905 – 1996) ist die wichtigste deutsche Biogartenpionierin.« (S. 9)
Ihr wissensreiches Buch motiviert, sich von Chemie und Gedankenlosigkeit zu befreien. Im Vergleich zu zahlreichen Gartenbüchern sticht ihr Buch angenehm hervor. Warum es schon so lange nicht mehr aufgelegt worden ist, kann jeden engagierten Gärtner nur verwundern.
Gertrud Franck & Brunhilde Boss-Burkhardt: Gesunder Garten durch Mischkultur: Gemüse, Blumen, Kräuter Obst: Altes Gartenwissen neu entdeckt.
oekom verlag, Februar 2019.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.