Franziska Tanneberger & Vera Schröder: Das Moor

Auf einmal war dieses Bild in meinem Kopf: Auf einer für Menschen unhörbaren Frequenz dröhnt ein Alarmsignal. Es ist so gigantisch laut, dass die Bäume zittern, und allmählich der Boden unter den Füßen in Bewegung gerät. Dies könnte so bis zur Katastrophe weitergehen, wären da nicht ein paar Menschen, die etwas wahrnahmen. Irgendwann verstanden sie das Signal, und dann begriffen sie das Ausmaß der Bedrohung.

Die Autorin und Wissenschaftlerin Dr. Franziska Tanneberger verlebte ihre Kindheit in Berlin-Pankow. Die Urlaube in Usedom waren für sie das Beste, weil ihr Großvater mit ihr immer wieder ins Moor ging. Sie lernte dort die Pflanzenvielfalt und Tierwelt kennen. Ihre Liebe zu der Schönheit unberührter Natur wuchs. Nach dem Abitur studierte sie Landschaftsökologie, Naturschutz und das Hauptfach Moorökologie. Damit belegte sie eine Nische, in der besondere Menschen in ihren Fokus gerieten. Sie nennt sie die Moormenschen. Auch in den Moorgebieten in Ostpolen fiel ihr auf, dass der Mensch in die Moore stark eingegriffen hatte. (S. 48)

Es war naheliegend, immer weiter nach Osten zu reisen, um endlich naturnahe Zustände zu finden. Diese sind ebenfalls bedroht: Zum Beispiel die Permafrostmoore in Westsibirien, die aufgrund der Erderwärmung langsam auftauen. Die frei werdenden Gase, unter anderem Methan und CO2, werden die Erderwärmung weiter vorantreiben. Dabei unterschätzt der Laie gern das Ausmaß, denn … „4 Prozent der Landfläche der Erde sind mit Mooren bedeckt. … In diesen Flächen sind zwischen 450 und 650 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden gespeichert. Doppelt so viel …, wie in allen Bäumen aller Wälder der Erde zusammen steckt.“ (S. 43)

Zurück in Deutschland beschloss Franziska Tanneberger, sich für die Rettung und Renaturierung hiesiger Moorgebiete einzusetzen.

Nasse Moore schützen das Klima

Häufig wird sie gefragt, wie die Situation der Moore in Deutschland sei. „Ich tat mich schwer mit einer Antwort und wich oft aus.“ (S. 65)

Wer will schon beschreiben, dass hiesige Moore systematisch entwässert worden sind und man Torf nur noch unter einer Erdschicht findet?

Man erkennt diese trockengelegte Moore am Absinken des Bodens. Jedes Jahr sackt der Boden einen Zentimeter ab, so dass für küstennahe Gebiete zukünftig weitere Probleme auftauchen.

Die Autorin zeigt in ihrem kurzweiligen Buch, wie es anders gehen könnte, wie es letztendlich anders gehen muss. Sie beschreibt diesen Weg in ihren vielseitigen Arbeitsbereichen, der Vernetzung und wie über eine Wiedervernässung der Moore die massive Abgabe von CO2 an die Umwelt unterbunden wird. Nicht nur in ihren Augen sind neue Wege in der Landwirtschaft vonnöten. Die ökologische Gewinnung von Baustoffen aus Schilf und Seggenrohr /Reet in nassen Mooren bietet Möglichkeiten. Auch die Zucht von Moosen für die Herstellung von Medizin. Kurz gedachte Politik und EU-Normen erschweren noch immer so manche Pionierarbeit am und im Moor.

Erweiterung des Horizonts

Dr. Franziska Tannebergers Buch erweitert fundiert den Horizont aller LeserInnen, die mehr wollen, als gedanklich in Sackgassen zu verharren.

Als Mitautorin stand Vera Schroeder, die Journalistin des Wissenschaftsressorts der Süddeutschen Zeitung zur Seite, deren Thema Menschen sind, die die Zukunft gestalten.

Franziska Tanneberger und Vera Schröder: Das Moor: Über eine faszinierende Welt zwischen Wasser und Land und warum sie für unser Klima so wichtig ist
dtv, März 2023
256 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.