David Lama, geboren 1990 in Innsbruck, hat sich schon in sehr jungen Jahren einen Namen als Sportkletterer gemacht. Bereits als Teenager kletterte er auf Wettkämpfen besser als Erwachsene. Kein Wunder, dass er, das Wunderkind, Sponsoren gefunden hat, die ihn unterstützen und vermarkten. Im Alter von neunzehn Jahren sah er ein Bild von dem Cerro Torre und war fasziniert. Denn diese steile Granitformation, wie ein Fingerzeig zum Himmel, auf dem eine gigantische Zipfelmütze aus Eis und Schnee mäandert, kann nur in einem kurzen Zeitfenster des patagonischen Sommers erklommen werden.
Ein unbekannter Alpinist würde für diesen Berg seine Ersparnisse hergeben und versuchen, ihn mit einem guten Freund zu erklimmen.
David rief einen Freund an, der zugleich für seinen Sponsor arbeitet. Während er Überzeugungsarbeit leistete, bekam sein Projekt im Hintergrund allmählich ein Eigenleben, das er zunächst gar nicht überblicken konnte. Erst in El Chaltén wurde dem angehenden Alpinisten die Größe des Projektes vor Augen geführt. Auf der einen Seite begrüßten ihn orkanähnliche Winde, Eiseskälte am Berg und viel zu kleine Zeitfenster mit nur wenig Wetterberuhigung. Auf der anderen Seite bereitete ohne sein Zutun ein großer Tross bestehend aus Filmcrew, Bergführer inklusive Hubschrauber das Set auf dem Cerro Torre vor. Natürlich wurden zur Sicherung der Kameraleute auch reichlich Haken angebracht.
Sofort entstand eine Protestlawine unter den Alpinisten, und im Internet wuchs daraus eine immense Antiwerbung. Schließlich hatte schon Maestri 1959 dem bisher als unbezwingbar geltenden „heiligen“ Cerro Torre Gewalt angetan, als er und sein Team einen Kompressor auf den Berg hoch zogen, um 450 Bohrhaken inklusive Bohrhakenleiter in die glatte Granitwand zu schrauben.
Die Haken, nun Teil einer bisher unberührten Natur, erleichterten nun jedem Alpinisten den Aufstieg. Trotzdem blieb der Berg eine Herausforderung, egal ob man sich mit dem technischen oder dem freien Stil identifiziert.
Bei dieser Vorgeschichte befand sich der neunzehnjährige Sportkletterer unweigerlich im kritischen Blick aller Alpinisten. Denn zwei grundverschiedene Kletterversionen stehen sich hier gegenüber. Während beim Sportklettern in der Regel kurze, extrem schwierige Kletterabstände (zum Teil an künstlichen Wänden) von 10-30 m frei erklettert werden, bei der ein Zweiter von unten mit Hilfe von Seilen und Haken absichert, nehmen die alpinen Kletterer auf ihren langen Routen nicht nur größere Gefahren durch Lawinen und Steinschlag in Kauf, sondern benutzen teilweise Haken als Aufstiegshilfe.
David Lama schreibt dazu: „… Ich bin auch mit der Klettergeschichte nicht im Detail vertraut, aber ich merke, dass ich mit der Rolle des naiven Burschen … nicht mehr weiterkomme. Mir ist längst klar geworden, dass ich meinen persönlichen Crashkurs in Alpingeschichte und -ethik längst begonnen habe und mir zu elementaren Fragen schleunigst eine Meinung bilden muss …“ (S. 118)
Als er 2012 seinen dritten Versuch startete, hatten gerade zwei Alpinisten auf dem Rückweg von ihrer Gipfelerklimmung Maestris Haken abgeschlagen. Und wieder galt der Cerro Torre als unbezwingbar. David Lama, der zusammen mit Peter Ortner im freien Kletterstil hoch wollte, schrieb nun unweigerlich allen Spöttern und Kritikern zum Trotz Berggeschichte. Geschrieben hat er auch einen sehr unterhaltsamen und zugleich ehrlichen Erfahrungsbericht mit dem Titel „Free“, der unter anderem ausführlich über Kletterstile und die Kletterszene im speziellen erzählt. Insgesamt eine spannende, informative Lektüre – auch für Nicht-Alpinisten.
David Lama: Free.
Knaus, Dezember 2013.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.
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