Scheherazade will sich nicht binden. Doch dann trifft sie im Haifischbecken ihrer Branche auf einen Mann, der sie sieht, durchschaut und versteht. Sie beginnt zu hoffen: Kann aus dem Du und dem Ich ein Wir werden? Tausendundeine Nacht vergehen …
Psyche arbeitet in der Moderedaktion der Zeitschrift Olymp und trinkt Latte Macchiato mit fettfreier Sojamilch. Sie lässt sich von ihrer Chefin Venus Lucius durch die Gegend scheuchen und hofft darauf, endlich zeigen zu können, was in ihr steckt. Und dann ist da noch Eros, der Playboy, der ungeniert mit ihr flirtet, ohne es ernst zu meinen – zumindest ist Psyche davon überzeugt.
Attem ist die jüngste Ehefrau des Königs, hat sich aber bereits den Platz als Hauptfrau gesichert. Selbstbewusst nimmt sie sich von anderen Männern, was ihr der tattrige Gemahl nicht geben kann. „Sobald sie seine Grundbedürfnisse gestillt hatte, konnte sie sich um ihre eigenen kümmern.“ (Kapitel Attem). Dabei reizt sie die Unverbindlichkeit der Arrangements, die sie mit Hilfe ihrer Dienerin Affiah in einer versteckten Höhle genießt. Bis Ituen in ihr Leben tritt.
Locker, ideenreich und nie oberflächlich kleidet die Autorin Bolu Babalola Mythen und alte Geschichten aus Kulturen rund um die Welt in ein neues Gewand. Im Mittelpunkt steht die Liebe.
Das Besondere an Bolu Babalolas Erzählungen ist jedoch, dass – im Gegensatz zu den ursprünglichen Geschichten – die Frauen den Ton angeben. Sie übernehmen die Initiative, sind kämpferisch und leidenschaftlich. Sie wissen oder lernen, dass die wichtigste Liebe die Liebe zu sich selbst ist. Und sie öffnen sich der Liebe, die sie anderen geben und von ihnen empfangen.
„In diesem Buch geht es darum, gesehen zu werden, klar und deutlich, in allen Farben und Facetten und mit sämtlichen Wesenszügen. Es geht um die Freude und die Hoffnung, die das feierliche Zelebrieren dieses Phänomens mit sich bringt“, schreibt die Autorin im Vorwort.
Gesehen zu werden weckt Gefühle, die im Inneren verschlossen waren, wie bei der Kriegerin Siya Cisse. Es erlaubt, schwach zu sein und sich halten zu lassen, die Kontrolle auch einmal abzugeben – um gestärkt und selbstbewusst aus diesen Erlebnissen hervorzugehen.
Dass nicht alle Frauen Engel sind, zeigt zum Beispiel die Geschichte von Nofretete, die in Theben City den „größten, berühmtesten, verruchtesten Nachtclub“ führt. Ihre Mission ist es, verlorenen Frauen einen Platz zu geben, an dem sie sich wiederfinden können – und Männer zu strafen, die Frauen verletzen.
Drei „eigene“ Geschichten schließen sich an diejenigen an, die auf Mythen und alten Erzählungen basieren. Sie stehen ihren „Vorgängern“ in nichts nach. Lebensnah, modern, humorvoll und – wie ich vermute – zumindest in Teilen autobiografisch stellt uns Bolu Babalola Frauen (und Männer) vor, die (Selbst-)Liebe leben und erleben. Die Weltoffenheit, die Fantasie und das Engagement der britischen Autorin mit nigerianischen Wurzeln durchziehen das gesamte Buch. Man spürt ihre Freude am Erzählen.
Frauen, die aufbegehren, die ihre Stimme finden, die wissen, was sie wollen, bevölkern die Geschichten. Sie schillern in all ihren Farben und die Liebe schillert mit.
Ursula C. Sturm hat den Text aus dem Englischen übersetzt und damit dazu beigetragen, dass auch deutschsprachige Leser*innen diese originellen, dramatischen, witzigen und außergewöhnlichen Geschichten genießen können.
„In all deinen Farben“ ist ein Buch für alle Menschen, die über Liebe lesen und sie spüren wollen – und wer will das nicht? Ich kann es nur wärmstens empfehlen.
Bolu Babalola: In all deinen Farben: Love Stories.
Aus dem Englischen übersetzt von Ursula C. Sturm.
Eisele, März 2022.
320 Seiten, Taschenbuch, 18,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.
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