Antonia Michaelis: Tankstellenchips

Sean, ich bleib mal bei dem Namen, obwohl sein iranischer Name nur so ähnlich klingt, also Sean lebt in einer Flüchtlingsunterkunft und ist seit zwei Monaten in Deutschland. Eigentlich möchte er studieren. Eines Nachts gerät er zufällig in ein Verbrechen und flieht gemeinsam mit Davy, gerade acht und schon aus dem Heim abgehauen. Was folgt ist eine Road-Story quer durch Deutschland.  Die Geschichte ist aus Seans Sicht erzählt und der Leser bekommt eine ganz eigene Sicht auf das deutsche Normalleben. Es gibt echt witzige Stellen, die zum Teil auch durch Seans Sprachbarrieren verursacht werden, manchmal ist er herrlich naiv, aber er ist ein guter Junge, der nur ziemlich viele schlechte Entscheidungen trifft. Schlechte, nicht böse. Außerdem geht eine Menge schief, für das er wirklich nichts kann.

Das Irre ist, das Sean die ganze Zeit davon überzeugt ist, dass er abgeschoben werden wird (was soweit richtig ist, als dass sein Abschiebebescheid bereits in seinem Spind in der Unterkunft liegt), dass er aber einen lupenreinen Asylgrund inklusive Berichterstattung im Internet vorweisen könnte, wenn er es denn täte. Er schämt sich aber, dass er seine Mitaktivisten seiner Ansicht nach nicht ausreichend beschützen konnte. So zieht er also mit Davy durch Deutschland, in der Tasche eine Handynummer von einer Facebook-Bekanntschaft, die ihm vielleicht helfen will, wenn er erst in Köln ist. Er versucht sich als Erdbeerpflücker, als Barista, kapert eine Heißluftballon und ein Moped, versucht eine Zugfahrkarte zu kaufen und immer ist er dabei auf der Flucht vor der Polizei genauso wie vor denjenigen, die das Verbrechen wirklich begangen haben. In Neuschwanstein versucht er sich als Fremdenführer, er lernt gute und böse Menschen kennen und manches dazwischen.

Ein ganz toller Blick auf Deutschland aus der Sicht von Einem, der fremd und doch vertraut ist, der mehr versteht als er meint und das Herz auf dem rechten Fleck hat. Von einem der gut ist, obwohl er doch streng genommen so viel böses tut.

Antonia Michaelis: Tankstellenchips.
Oetinger, Juli 2018.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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