Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Hannah ist Ende 20, hat einen Master in Soziologie und weiß gerade nicht so richtig, was sie will. Einen passenden Job hat sie noch nicht gefunden und das Geld, das sie mit Einsätzen bei einer Zeitarbeitsfirma verdient, reicht gerade so zum Leben. Auch in der Beziehung mit ihrem Freund Moritz läuft es derzeit nicht ganz rund.

Moritz weiß, was er will, nämlich Musik machen und möglichst damit erfolgreich sein. Der Erfolg ist allerdings bisher ausgeblieben. Dennoch nimmt das Üben sehr viel Zeit in Anspruch. Der Großteil der Arbeit im gemeinsamen Haushalt bleibt daher an Hannah hängen. Moritz macht meist nur das, wozu er Lust hat.

So schlingert Hannah durchs Leben, manchmal auch wortwörtlich, wenn sie mal wieder Lust hatte, sich zu betrinken oder ihre Sorgen durch andere – verbotene – Mittel zu vergessen. In Berlin hat sie dazu reichlich Gelegenheit.

Als Moritz eines Tages mit Robby, einer Labrador-Schäferhund-Mischung nach Hause kommt, verliert Hannah sofort ihr Herz an den neuen Mitbewohner und als Moritz auf Tour geht, ist es für ihn selbstverständlich, dass sich Hannah um das Tier kümmert. Sie macht das zwar gerne, aber einfach ist es nicht, einen Hund mit Angst vor dem Alleinsein mit ihren wechselnden Jobs zu koordinieren. Doch sie hat Freunde, die sie unterstützen und als sie Luise kennenlernt, reift in Hannah ganz langsam eine Idee, wie sie ihr Leben gestalten könnte.

Ilinca Florian fängt in ihrem Roman „Das zarte Bellen langer Nächte“, das auch als Ebook erhältlich ist, das Lebensgefühl junger Menschen ein, die Zeit brauchen, um sich zu entscheiden, wohin sie ihr Leben steuern wollen. Ihnen stehen theoretisch fast unzählige Möglichkeiten offen, aber praktisch fällt es ihnen schwer, sich festzulegen. Und das kann ich gut verstehen, auch wenn ich bereits ein „älteres Semester“ bin. Es ist einfach schwierig, herauszufinden, was man selbst will und was man wollen sollte. Warum muss man immer funktionieren und in Rekordzeit durch Schule und Uni hetzen? Wo bleibt dabei die Muße, sich zu orientieren? Das frage ich mich heute noch manchmal.

Die Protagonistin Hannah ist eine sympathische und kluge junge Frau, die ihren Weg in unserer undurchschaubaren Gesellschaft sucht. Ilinca Florian schafft es hervorragend, Hannahs Durchhänger und Hochgefühle aufs Papier zu bringen. Wie sie probiert, Fuß zu fassen, scheitert und eine Auszeit nimmt, grübelt, testet und Perspektiven sucht, könnte genau so passiert sein. Das ist manchmal zum Lachen, manchmal zum Weinen und manchmal macht es auch wütend, wie das Leben selbst.

„Das zarte Bellen langer Nächte“ ist ein (kurzes) Buch über die (große) Suche nach Lebenszielen in einer Welt, in der alles und nichts möglich ist. Lebensnah, unterhaltsam und sehr empfehlenswert für alle, die offen und neugierig sind und die Verständnis dafür haben, dass manches etwas länger Zeit braucht, egal wie alt sie sind.

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte.
Karl Rauch Verlag, Februar 2020.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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