Béla wird in Budapest geboren, als der 2. Weltkrieg tobt. Schon als kleiner Junge bekommt er hautnah zu spüren, was der Krieg mit sich bringt: Gewalt und Terror, Armut und Vertreibung. Den Vater, der erst als Offizier an der Front ist, dann in Kriegsgefangenschaft gerät und später in den Westen flieht, lernt er erst als Jugendlicher richtig kennen. Bis dahin taucht er nur sporadisch in seinem Leben auf. Gemeinsam mit der Mutter und seinem jüngeren Bruder bewältigt Béla den Alltag im sozialistischen Ungarn und erlebt auch hier Willkür, Verfolgung und Machtmissbrauch, bis der Familie mit Unterstützung eines Nachbarn die Flucht nach Österreich gelingt.
Nachhaltig prägen Béla in seiner Kindheit die morgendlichen Ausflüge mit Guszti bàcsi, einem mit der Familie befreundeten Mann, der sich ab und zu der Kinder annimmt. Bei Sonnenaufgang auf einem Berg zu stehen und zu sehen, wie die Welt sich erhellt, löst Glücksgefühle in Béla aus, denen er bis zu seinem Tod nachjagt. Sein Ziel ist es, den Berg, von dessen Gipfel aus er den Sinn des Lebens entdeckt, zu finden und zu besteigen.
Auch in Österreich und an seinem späteren Wohnort in der Schweiz ist das Leben als Flüchtling nicht einfach. Béla bleibt ein Suchender, der sich immer wieder entscheidet, seinem Dasein eine andere Richtung zu geben. Selbst der Glaube an Gott, von dem er sich nach Eintritt in den Jesuitenorden Halt erhofft, kann seine Zweifel nicht dauerhaft zerstreuen. Wieder zieht er weiter, auf neuen Wegen.
Gabor Laczko spannt in seinem neuesten Buch „Der Berg, der nie bestiegen wurde“ einen Bogen von Bélas Geburt bis zu seinem Sterbebett. Dabei widmet er sich besonders intensiv seiner Kindheit, seiner Jugend und der Zeit als junger Erwachsener. Bélas restliches Leben fliegt nahezu vorbei bis er alt und hinfällig im Krankenhaus liegt und in Gedanken sein Dasein und seinen Lebenszweck reflektiert.
Der Einstieg hat mich beeindruckt, wie alle anderen Abschnitte des Buches auch, in denen Gabor Laczko konsequent aus Bélas Sicht erzählt. Hier kommt man ihm und seinen Empfindungen nahe, fühlt mit ihm und ist mitten im Geschehen. Doch immer, wenn sich der allwissende Erzähler „eingemischt“ hat, wurde ich in meinem Lesefluss gestoppt. Er springt in der Zeit nach vorne (und selten auch zurück), er bewertet was passiert und scheint unumstößliche Ansichten zu haben, die ich nicht immer teilen kann. Das kann natürlich die Rolle eines Erzählers sein, aber in diesem Fall ist es für mich unnötig und störend, weil in mir immer der Widerstand wächst, wenn jemand zu sehr von sich und seiner Meinung überzeugt ist. Vielleicht ist das ein persönlicher wunder Punkt, aber er hat mir das Lesen stellenweise erschwert.
„Der Berg, der nie bestiegen wurde“ hat mehr Höhen als Tiefen. Wenn man im Klappentext den Lebenslauf von Gabor Laczko liest, liegt die Vermutung nahe, dass er in weiten Teilen des Romans persönliche Erlebnisse verarbeitet hat. Man spürt, dass es dem Autor wichtig ist, davon zu erzählen und dass er weiß, wovon er spricht.
Der Roman transportiert eine eher pessimistische Weltsicht, hat aber auch seine humorvollen, skurrilen Seiten. Schade ist, dass es einige Schreibfehler und stilistische Unebenheiten gibt. Doch das Buch enthält auch eine Reihe kluger Gedanken über Gott und die Welt, die es gemeinsam mit Bélas außergewöhnlicher Lebensgeschichte lesenswert machen.
Gabor Laczko: Der Berg, der nie bestiegen wurde.
Buch&Media, November 2018.
200 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.