Haruki Murakami: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

Murakamis 641-Seiten-Roman gliedert sich in drei Teile, in denen die Grenzen von Realität und Traum zunehmend verschwimmen.

Im ersten Teil erinnert sich der Ich-Erzähler, ein namenloser Mittvierziger, an seine ebenfalls namenlose Jugendliebe. Er spricht sie direkt an, als würde sie ihm gegenübersitzen, dabei liegt ihre gemeinsame Geschichte fast dreißig Jahre zurück. Damals erzählte sie ihm von einer fiktiven Stadt, in die sie sich manchmal flüchten würde, einen paradiesischen Ort, an den man nur käme, wenn man seinen Schatten hinter sich ließe. Durch eine Mauer wäre man vom Rest der Welt getrennt, während die Schatten im Grenzgebiet verweilen würden. Da sie ohne ihren Besitzer nicht lange überleben konnten, musste man rechtzeitig zurückkehren. Mit dem Tod hätte man sich gegen die reale Welt entschieden und dürfte auf ewig in der Traumstadt leben.

Schon bald war dem Erzähler klargestellt, dass das Mädchen an die Existenz der Stadt glaubte, und er folgte ihren Gedanken. Gemeinsam erschaffen sie sich eine Parallelwelt, in der sie für immer zusammen sein könnten. Aber als der schwer verliebte Junge die Mauer zwischen Realität und Traum durchbrach, seinen Schatten beim Wachmann der Zwischenwelten zurückließ, um für immer mit seiner großen Liebe zusammen zu sein, erkannte sie ihn nicht und wirkte seltsam unbeteiligt.

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Doris Dörrie: Die Reisgöttin und andere Mitbringsel

Wer Touristenmeilen eher meidet, um das Leben in den Seitenstraßen zu entdecken, hat in Doris Dörrie eine passende Reisebegleitung gefunden. In 47 Anekdoten, jede knapp zwei DIN-A-5-Seiten lang, erzählt die Autorin von ihrer ungestillten Neugierde, hinter die Dinge sehen zu wollen.

Ihre Reisen führen sie unter anderem nach Asien, den Nahen Osten, die USA und Mittelamerika, aber auch direkt vor die Haustür. Sie hinterfragt kulturelle Werte, die Herkunft landestypischer Speisen, Haushaltswaren und traditioneller Feste.

Am liebsten bummelt sie über Flohmärkte und durch Kramläden in aller Welt, um etwas mitzubringen, das sie zu einer Geschichte inspiriert hat. Dabei legt sie ihr Augenmerk oft auf Dinge, die die meisten Menschen bestenfalls als Kitsch bezeichnen würden. Ihr Mann jedenfalls versucht erfolglos, sie davon abzuhalten, immer mehr Ramsch anzuhäufen. Zumal er sein Haus bereits mit einem Stoffschwan mit Schnabelproblem und einer Porzellankaraffe in Hasenform teilen muss. Aber der Autorin geht es nicht um den Wert der Dinge als solche, sondern um den ideellen Wert. 

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