Peter Buwalda: Bonita Avenue

boniGroßartig! So was habe ich lange nicht mehr gelesen. Ich bin ja ein großer Freund von Gesellschaftsromanen der amerikanischen Beobachter und Autoren, die „Aufstieg und Fall“ von vermeintlichen Helden und/oder Familien beklemmend formulieren können. Meisterhaft wie John Updike in seinen vier Rabbit Romanen, oder Tom Wolfe mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ oder „Ein ganzer Kerl“. Jonathan Franzen versucht in diese großen Fußstapfen zu treten mit „Die Korrekturen“. In Europa kommt dieses klassische Sozialdrama von dieser Qualität seltener daher. Vor Jahren las ich van der Heijdens „Anwalt der Hähne“ oder „Fallende Eltern“. Ein Holländer. Und wieder macht mich ein Holländer ganz sprachlos: ein meisterhafter Roman namens „Bonita Avenue“. Der Autor Peter Buwalda. Nie gehört vorher. Aber das ist ja das Schöne an diesen zufälligen Entdeckungen. Ein Freund meinte einfach nur, lies mal. Ein klug in Zeit und Raum aufgebauter Roman um einen gewissen Siem Sigerius. Ich zitierte eben schon „Aufstieg und Fall“. Der Roman endet furios, unfassbar und doch bis ins Detail nachvollziehbar. Eine Patchworkfamilie (wie niedlich sich das anhört) die es in sich hat. Psychosen, Pornos, Judomatte treffen auf Mathematikgenie. Zeitlich geht es vor allem um das Jahr 2000 als in Enschede eine Feuerwerkskörperfabrik explodierte und die halbe Stadt zerstörte. Und es geht um Fluchten der einzelnen Familienmitglieder vor sich selbst und vor allen andern. Und es geht um einen undendlich missratenen Sohn von Siem, namens Wilbert, der, wo er auftaucht eine Spur der Verwüstung hinterlässt, und eben Siem sein Leben lang ratlos ob dieses genetischen Unglücks. Trotz aller Schwierigkeiten schafft es Siem, von ganz unten auf einen Ministersessel. Als solcher macht er eine derart grausame Entdeckung in seiner Familienvita, dass er fortan, alles falsch macht was falsch zu machen ist. Seine träge Ehefrau Tineke trägt die Last schon fast mit melancholischer Gleichmut und lässt, soweit es geht, alles an sich abprallen und werkelt künstlerisch in weiten Gewändern. Und Aaron, der Psychotiker, nimmt einem bei der Beschreibung seines Leids, schier den Atem. Ach komm, was soll ich sagen: Einfach lesen. Eine Klasse für sich.

Peter Buwalda: Bonita Avenue.
rororo, Oktober 2014.
640 Seiten, Taschenbuch, 10,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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