Oliver Clements: Der Spion der Königin

#1572 in Paris: In der Bartholomäusnacht veranstalten Katholiken ein barbarisches Massaker und töten unzählige Protestanten. Mitten in dem Chaos versucht Francis Walsingham, wichtige Dokumente zu retten. Sein Gehilfe soll die Unterlagen in Richtung England und damit zu Königin Elisabeth I. schaffen. Doch der Mann wird getötet, die Dokumente gestohlen.

Wie sich später herausstellt, handelte es sich um eine mutmaßliche Lagebeschreibung der Straße von Anian, der Nordwestpassage, die einen direkten Seeweg von dem Pazifischen in den Atlantischen Ozean ermöglichen soll. Für England wäre das Wissen um einen solchen Weg von großer Bedeutung: Nicht nur könnte man so den Spaniern endlich Konkurrenz bei der Entdeckung der neuen Welt machen, sondern die Schätze aus neuen Ländern scheinen auch die einzige Möglichkeit zu sein, endlich aufzurüsten. Denn Elisabeth I. sieht sich zunehmend von fremden Mächten bedroht – und das nicht nur, weil Mary Stuart immer noch lebt und auf ihren Thron lauert.

Nun hat Walsingham diese wichtigen Informationen aber verloren. In seiner Not weiß er nur eine Person, die er um Hilfe bitten kann: John Dee, ein Gelehrter und in Ungnade gefallener ehemaliger Berater der Krone. Dee soll nicht etwa, wie er zunächst annimmt, herausfinden, wo die Straße von Anian ist. Er soll viel mehr zu einem von Walsinghams Spionen werden und die vermissten Dokumente wieder beschaffen. Dee hat eigentlich wenig Lust, sich in Lebensgefahr zu begeben – doch für seine Königin würde er fast alles tun und so willigt er schließlich ein.

Oliver Clements schreibt eigentlich Drehbücher und wagt sich mit „Der Spion der Königin“ zum ersten Mal an einen eigenen Roman. Dass Clements sonst eher für Leinwand und Bildschirm schriebt, kann man beim Lesen erahnen. Denn auch die Geschichte rund um John Dee liest sich zuweilen wie ein Drehbuch, aber im positiven Sinne. Clements schreibt klar und meist unverschachtelt, auch schnelleres Geschehen schildert er in präzisen Sätzen und damit sehr eingängig. So versteht er es sehr gut, den inneren „Film“ in der Vorstellung seiner Leserschaft ablaufen zu lassen. Kein Wunder also, dass die New York Times findet, Clements‘ Erstling sei „wie für die Leinwand geschaffen“, wenn beim Lesen vieler Situationen schon filmische Szenen in des Lesers Kopf entstehen.

Inhaltlich ist der historische Roman in weiten Teilen wohl recht nah an den realen Geschehnissen im 16. Jahrhundert angelegt. Zwar sind natürlich die äußerst gelungenen Dialoge und auch Teile der Handlung fiktional, aber nahezu alle Hauptfiguren haben wirklich gelebt und ähnliche Rollen gespielt wie in Clements‘ Romanwelt. Dies bedeutet aber nicht, dass „Der Spion der Königin“ nur für Interessierte an der Geschichte der Tudors spannend wäre. Der Autor beherrscht es sehr gut, die Ereignisse in moderner Sprache darzustellen, ohne dabei unnatürlich zu wirken. So finden alle Freunde rasanter Storys und toller Dialoge mit diesem Roman ein lesenswertes Buch – und wer darüber hinaus gerne über reale, historische Ereignisse liest, umso mehr.

Oliver Clements: Der Spion der Königin.
Goldmann, Dezember 2021.
416 Seiten, Taschenbuch, 11,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sarah Beumer.

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