Sein ganzes Schriftstellerleben lang – und das sind 60 Jahre – steht für Martin Walser die schöne Sprache im Mittelpunkt seiner Arbeit. In seinem neuen Roman „Statt etwas oder Der letzte Rank“ ist die Sprache der Held der Geschichte. Aber dieses Buch ist auch ein Alterswerk, das die Leser irritiert zurücklässt.
Gerade wird Walser, der im März 90 Jahre alt wird, in der Rangliste des Magazins „Cicero“ als wichtigster Intellektueller in Deutschland geführt. – Noch vor dem Philosophen Peter Sloterdijk. Diesem Ruf wird er mit seinem neuen Roman gerecht: Dies ist kein Buch, das man Seite für Seite einfach so durchliest – es zwingt zu Nachdenkpausen; die zum Teil heftig verschlungenen Sätze sind verwobene Gebilde, der Roman steht am Rande der Formlosigkeit.
Der Held dieses Romans sagt Sätze wie „Mit der Unwahrheit ein Glückskunstwerk zu schaffen, das ist die menschliche Fähigkeit überhaupt“. Dieser Mensch, den seine Frau mal Memle, mal Otto, mal Bert nennt, versucht zu erkennen, wie aus Erfahrungen Gedanken werden. Am liebsten starrt dieser Mann auf einen leere, musterlose Wand, die die Unruhe in seinem Kopf zur Ruhe bringen soll.
Diese Unruhe spiegelt Walser in philosophischen Sätzen von ausgesprochener Schönheit, die sich allerdings nicht immer unmittelbar erklären.
Man könnte dieses Porträt eines alten Mannes (vielleicht ein Äquivalent zu Martin Walser selbst?) auch als ein Musikstück des 20. Jahrhunderts sehen, das ein wenig durch die Form und Harmonie mäandert.
„,Statt etwas oder Der letzte Rank‘ ist ein Roman in dem es in jedem Satz ums Ganze geht“, steht sehr treffend beschrieben auf dem Buchumschlag. Wer sich die Mühe macht, sich darauf einzulassen und dem Lesen Zeit gibt, wird mit einer außergewöhnlich schönen Sprache belohnt. Und mit der Freiheit des Wortes.
Martin Walser: Statt etwas oder Der letzte Rank.
Rowohlt, Januar 2017.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.