Ingrid Freimuth arbeitete lange als Lehrerin und unterrichtete an verschiedenen Schulen. Sie gab Schülerinnen und Schülern in der sozialpädagogischen Lernhilfe Einzelunterricht und war darüber hinaus auch in der Lehrerfortbildung tätig. Ein Frau also, die über reiche Erfahrungen aus dem Lehralltag verfügt.
In ihrem Buch berichtet sie davon. Und es ist ein sehr glaubhafter und auch sehr mutiger Bericht. Denn Frau Freimuth prangert schonungslos die Mängel an, die den Unterricht an unseren Schulen erschweren und bisweilen nahezu unmöglich machen.
Ein Hauptthema dabei ist die aktuell in vielen Medien diskutierte Problematik der Integration der vielen nach Deutschland kommenden Flüchtlinge. Frau Freimuth zeigt an zahlreichen Beispielen aus ihrem Lehreralltag, welche Probleme alleine schon die zum Teil immensen kulturellen Unterschiede verursachen, die zwischen den in Deutschland aufgewachsenen Kindern und Jugendlichen und den aus oft stark patriarchalisch geprägten Kulturen stammenden Migranten bestehen.
Da hat es eine Lehrerin oft alleine schon deshalb schwer, weil sie eine Frau ist. Dazu kommt immer wieder die Erkenntnis, dass es keinen Erfolg bringt, lernunwillige und aufsässige Schüler mit Freundlichkeit und Erklären des Sachverhaltes in den Griff bekommen zu wollen. Stattdessen schildert die Autorin einen zermürbenden Rangordnungskampf, in dem sie als Lehrerin sich täglich bemühen musste, im Ansehen der Schüler ihre Position als Anführerin zu behaupten. Nach ihrer Aussage eine unbedingte Notwendigkeit, um überhaupt eine Chance zu haben, mit den Schülern und Schülerinnen zu Recht zu kommen.
Der eigentlich Unterricht und die sinnvolle Vermittlung von Wissen werden in einer solchen Konstellation zur Nebensache. Und Unterstützung erhalten die Lehrer kaum. Eher ist das Gegenteil der Fall. Denn eine Sanktionierung von Fehlverhalten ist nicht gestattet. Vielmehr wird gerne mit Begriffen wie Diskriminierung, Islamphobie und Rassismus argumentiert. Dem Schüler, dem mit einer Bestrafung hätte deutlich gemacht werden müssen, dass er sich falsch verhalten hat, wird so signalisiert, dass er tun und lassen kann, was er will. All das mit den besten Absichten, aber dennoch grundfalsch.
Ingrid Freimuth beschreibt sehr deutlich die erschreckenden Missstände, die an deutschen Schulen herrschen. Die Erzählungen von Lehrern aus meinem eigenen Bekanntenkreis passen leider nur zu gut zu diesen Schilderungen. Es war längst an der Zeit, einmal mit diesen deutlichen Worten auszusprechen, was vielen von uns letztlich doch auf die eine oder andere Weise ohnehin bekannt ist.
Dazu kommt noch, dass die von Frau Freimuth geschilderte Problematik sich leider nicht nur auf den schulischen Bereich beschränkt. Es geht auch um die Schwierigkeiten, die wir aktuell in unserer sich wandelnden Gesellschaft sehen können. Wenn die gewaltige Anstrengung der Integration gelingen soll, dann hilft es nicht weiter, jede Kritik und jeden Vorschlag sofort mit der Rassismus-Keule erschlagen zu wollen. Dann müssen wir mutig und mit offenen Augen die Probleme ansprechen und zu sinnvollen und tragfähigen Lösungen kommen. Das Buch von Frau Freimuth ist ein Schritt in genau diese Richtung. Ich halte es für eine Pflichtlektüre für alle Menschen, denen unsere Gesellschaft wichtig ist.
Ingrid Freimuth: Lehrer über dem Limit: Warum die Integration scheitert.
Europa Verlag, März 2018.
240 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Christian Rautmann.