Daniel Mellem: Die Erfindung des Countdowns

Ein sehr interessantes und lehrreiches Buch. Es ist die teils wahre, teils fiktive Biographie eines besessenen Tüftlers und spät anerkannten Physikers. Sein Name ist Hermann Oberth, der mir allerdings vorher noch nie untergekommen ist. Ich bin aber, ehrlicherweise, auch nie tief in die frühe Antriebs- und Raketentechnik eingetaucht, und – später auch nicht. Was aber in dem Roman über Hermann Oberth wohl herauskommt, ist ein Abriss des 20 Jahrhunderts. In Zeitgeschichte und  Wissenschaft. Wir wissen alle, was für gigantische Erkenntnisse und Theorien, sowie Entdeckungen und nicht zuletzt zwei Weltkriege und der Holocaust dieses Jahrhundert überstrahlen und meist beschatten.

Am Beispiel von Hermann Oberth werden wir durch diese Dramatik geführt und lernen dabei viel. Man muss auch kein großartiges Licht in Physik sein um zu verstehen, dass es Raketen auf Grund ihrer Schwere immer schwer haben werden die Erdgravitation zu verlassen. Das ist die Crux mit der sich Oberth sein Leben lang beschäftigt obwohl er früh die richtigen Ideen hatte. Zum Beispiel, Raketen ins All zu schießen und nacheinander die Stufen zu zünden. Egal. Um die Erdanziehungskraft zu verlassen braucht man umso mehr Energie je schwerer das Raumschiff ist. Hier wird es immer klare Grenzen geben und da man das heute erst nach und nach einsieht, strebt die Geschichte der Raumfahrt eher ihrem Ende entgegen, als das die phantastischen Reisen, beginnend mit Jules Verne, dem sensationshungrigen Menschen weismachen wollten. Denn grade in den goldenen Zwanzigern, mit dem Wissen von Einstein und Max Planck und wie sie alle heißen, träumte man von der Besiedlung des Mondes und des Mars. Damals. Heute ist man klüger.

Die Geschichte von Hermann als genialer Raketentechniker (so wie er sich selbst sah) ist gespickt mit Rückschlägen aller Art, beruflich wie familiär. Tilla, seine Frau steht ihm bei bis zuletzt, wohltuend geerdet, auch als Oberth zum Ende seines Lebens in die Esoterik und (Nazi-)  Metaphysik versinkt. Dazwischen liegen quälende Jahre der Armut, des Hoffens, der politischen Wirren und daraus resultierende Umzüge und Weltanschauungen (von Siebenbürgen nach Göttingen, Berlin, Rügen, Heidelberg, Huntsville, Alabama, Nürnberg-Feucht, etc….). Aber machen wir uns nichts vor, es gab Hermann Oberth wirklich, genau wie es Wernher von Braun gab und so endet dieses Lebensdrama, bzw. dieser vorzügliche Roman, auch wunderbar im Jahre 1969 mit dem Start der riesigen Saturn 5 auf dem Weg zur ersten Mondlandung. Das Ehepaar Oberth sitzt als Ehrengäste auf der Tribüne in Florida und allein das zeigt, wie wichtig Hermann Oberths Ideen und Berechnungen waren. Wernher von Braun bezeichnete Oberth immer als seinen genialen Lehrer und Professor. Das er als Mensch und Familienvater weitgehend scheiterte, liegt eher an dieser wunden Zeit in die er geboren wurde. Ein klasse Roman, spannend und inspirierend.

Daniel Mellem: Die Erfindung des Countdowns.
dtv, September 2020.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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