Yavuz Ekinci: Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam

Die Geschichten über das Fressen und gefressen werden haben eines gemeinsam:  Am Ende ist immer einer tot und der Andere, der Stärkere überlebt. Ob in Flora und Fauna oder in der künstlichen Welt der Menschen, immer scheint es einen Gewinner zu geben, der alles bekommt.

Der 1979 in der Türkei geborene Autor Yavuz Ekinci verarbeitet literarisch das Schicksal der Kurden. Sein Roman erzählt von einem bestimmten Tag, an dem sich das Leben der friedlichen Menschen des Walnusstales ändern könnte. Alle Nachbarorte mitsamt ihrer Bewohner wurden bisher überfallen und zerstört. Nur ihr kleines Dorf ist bis heute verschont worden.

Yavuz Ekinci erzählt aus verschiedenen Perspektiven von den Höhen und Tiefen einer Familie, deren Vorfahren sich im Schatten riesiger Walnussbäume vor der Verfolgung retten konnten. In verschiedenen Kapiteln verwendet der Autor den Stil der Gleichnisse oder der Sage, um die Herkunft dieser Familie zu beschreiben. Recht schnell erfährt der Leser, was war und noch viel schneller, was gerade ist. Während die Kinder untereinander wenig Mitleid mit einem behinderten Jungen haben, verfallen die Erwachsenen in eine Art Schockstarre. Der Mann, den sie vom Berg Amar herab wandernd zu sehen glauben, kann in ihren Augen nur schlechte Nachrichten bringen. Schließlich kennen sie nur den schlimmen Ausgang von Ereignissen. Ein Kampf erscheint ihnen genauso sinnlos wie für das Eichhörnchen, das in den Fängen eines Adlers eingezwängt ist.

Yavuz Ekinci schenkt dem Leser einerseits eine Geschichte über die Liebe, die alles überwindet. Im Hinblick auf die politische Dimension darf andererseits die Geschichte vom Leid und der Grausamkeit nicht ausgespart werden. Der Stärkere frisst bekanntlich immer und wird nie satt. Der Autor lässt freundlicherweise die Geschehnisse dieses Mahls aus. Dafür zeigt er mit Hilfe von Stellvertretern aus der Flora und Fauna das Unfassbare, für das es keine Worte gibt.

Yavuz Ekinci: Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam.
Verlag Antje Kunstmann, März 2017.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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