Vicki Baum: Hotel Berlin (1944)

Vicki Baums „Hotel Berlin“, erschienen 1944, ist der etwas weniger bekannte Roman der Autorin, verglichen mit „Menschen im Hotel“.

In der 2021 erschienenen Neuauflage von „Hotel Berlin“ findet sich Vicki Baums Vorwort von 1946. Hier erzählt die Autorin etwas über ihre Art zu schreiben und den Hintergrund des Romans: Jeder Schriftsteller trage „eine kleine Welt, in der Landschaften, Städte, Gärten, Häuser, Zimmer mit Wesen seiner eigenen Fantasie bevölkert sind“ in sich.  Dies trifft auf beide Hotel-Romane zu, es begegnen einander an symbolträchtigem Ort alle möglichen Menschen, ihre Beziehung zueinander ist mal flüchtig, mal intensiv, und keiner verlässt das Hotel als derjenige, der er einmal gewesen ist.

„Hotel Berlin ist spannend erzählt, auf altmodische Weise herrlich kitschig und für heutige Leser auf beklemmende Weise „wahrhaftig“, kennt man doch den Ausgang des Krieges und die Menschen im Hotel Berlin scheinen vertraut: Martin Richter, Student und Widerstandskämpfer, liebt die Dinge, die Deutschland verloren hat, will einfach die letzten Tage des Krieges überleben und wird von der berühmten Schauspielerin Lisa Dorn vor der Gestapo im Hotel versteckt. Nicht nur er verliebt sich in Lisa, auch General von Dahnwitz liebt sie, und um diese Dreiecks-Beziehung und den Versuch, Martin die Flucht zu ermöglichen, entspinnt sich die Handlung. Lisa beginnt im Gespräch mit Martin zum ersten Mal im Leben, „selbständig und unabhängig“ zu denken, während Dahnwitz, der sich der Tradition des preußischen Adels verpflichtet fühlt, ebenfalls gezwungen ist, seine Rolle und sein Handeln kurz vor seinem Tod zu reflektieren. „Das Seltsame daran war, dass beide Männer, Martin Richter sowohl wie der General von Dahnwitz, nicht daran zu zweifeln schienen, daß der Krieg verloren, der Staat verrottet war.“ Martin findet unter anderem Hilfe bei dem englischen Gefangenen Geoffrey Nichols, der seine schuldbeladene Seele mit einer mutigen Handlung reinwaschen mill.

Eine spannende Figur ist die Prostituierte Tilli, die es schlechter getroffen hat als Lisa; während ein Foto, dass Lisa mit dem Führer zeigt, durch die Presse ging, wurde sie durch die Straßen geschleppt mit einem Schild um den Hals: „Ich habe mit einem Juden geschlafen“. Sie wird angezogen vom Reichtum der Lisa Dorn, die französische Kleider trägt, während sie selbst kein ordentliches Paar Schuhe mehr besitzt. Auch sie macht im Laufe des Romans, konfrontiert mit der Vergangenheit, eine Wandlung durch.

Im Sommer 1943, als Vicki Baum „Hotel Berlin“ schrieb, (erschienen ist der Roman wie gesagt 1944) war noch nicht geschehen, was im Roman vorausgeahnt wurde: Fliegerangriffe auf Berlin, Verschwörung der Generäle, Zerfall und Zusammenbruch des „Dritten Reiches“. So bezeichnet der Verlag das Buch auch als „eine Prophezeiung“. Das Buch schrieb Vicki Baum in englischer Sprache in den USA, in Deutschland war eine Veröffentlichung natürlich undenkbar. Das Buch wurde übersetzt von Grete Dupont.

Egal, ob man das Buch noch gar nicht kennt oder nach vielen Jahren zum zweiten Mal liest: Es lohnt sich!

Vicki Baum: Hotel Berlin (1944).
Verlag Klaus Wagenbach, März 2021.
176 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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Ein Kommentar zu “Vicki Baum: Hotel Berlin (1944)

  1. Danke für die Rezension. Vicki Baum schrieb sehr viele tolle Romane. Nachdem ich diese Autorin für mich entdeckt habe, suchte ich über Jahre hinweg weitere Veröffentlichungen von ihr. Jedes einzelne Buch hat sich gelohnt, denn es schenkt eine unterhaltsame Zeitreise mit Weitblick.

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