Valeria Parrella: Versprechen kann ich nichts

Die Italienerin Valeria Parrella (Jahrgang 1974) lebt in Neapel und dort spielt auch ihr neuer Roman „Versprechen kann ich nichts“, der am 15. Februar 2021 im Carl Hanser Verlag, übersetzt von Verena von Koskull, erschienen ist.

Begeistert habe ich 2017 Valeria Parrellas Erzählungen „Liebe wird überschätzt“ (ebenfalls im Carl Hanser Verlag veröffentlicht) gelesen, so dass ich ihren Roman mit einiger Spannung erwartet habe.

In „Versprechen kann ich nichts“ unterrichtet Elisabetta Maiorano, fünfzig Jahre alt und verwitwet, Mathematik in dem Jugendgefängnis der Stadt Neapel auf der Insel Nisida. Dort landet eines Tages die 16jährige Rumänin Almarina, weil sie ein Handy gestohlen hat. Vom Vater geschlagen und vergewaltigt ist sie mit ihrem jüngeren Bruder nach Italien geflüchtet. Der Bruder kommt in eine Pflegefamilie, Almarina in den Jugendknast.

Nach dem plötzlichen Herztod ihres Mannes fühlt sich Elisabetta alleingelassen und verzweifelt. Vergeblich hatten die beiden versucht, Kinder zu bekommen. Im Gefängnis, dem Ort, dem alle anderen wieder entfliehen möchten, fühlt sie sich „freier“. Almarina kommt in ihren Mathematik-Unterricht. Über Weihnachten darf sie das Mädchen zu sich nach Hause nehmen. Und dann wird Almarina in eine betreute Wohngruppe entlassen. Aber Elisabetta kämpft um die Vormundschaft für das Mädchen, das zu ihr sagt: „Aber versprechen kann ich nichts.“

Es ist ein schmales Buch geworden, der neue Roman von Valeria Parrella. Dafür enthält er die gewichtige Geschichte einer verwaisten, mittelalten Frau, die daran glaubt, einem straffällig gewordenen Flüchtlingskind eine Heimat, ein Zuhause, eine Familie geben zu können. Parrellas Ich-Erzählerin Elisabetta ist eine spröde, jedoch einnehmende Figur. Und obwohl das Buch im italienischen Original den Titel „Almarina“ trägt, erfahre ich als Lesende von dem Mädchen Almarina eher wenig. Elisabetta ist die Hauptperson: sie leidet, ist verzweifelt, sie macht ihre Arbeit, sie kämpft und  sie hat Hoffnung. Doch ist ihre Hilfe und Unterstützung, ihr Kampf um Almarina wirklich selbstlos? Oder ist Almarina viel mehr der Ersatz für das Kind, das Elisabetta nicht bekommen konnte? Valeria Parrella beantwortet diese Fragen in ihrem Roman nicht. Sie erzählt vom langsamen Aufweichen der Starre, die Elisabetta nach dem Tod ihres Mannes erfasst hat. Die Beziehung zu Almarina heilt ihre Trauer. So schreibt sie:

„Nach drei Jahren Einsamkeit bin ich endlich allein und nicht verlassen, ich erobere meine Räume zurück, die mir die Seele, der Geist dessen, der sie bewohnte, nach und nach zurückgegeben hat.“ (S. 123)

Ich brauchte etwas Zeit um mich auf dieses Buch einzulassen, mir hatten Parrellas Erzählungen besser gefallen. Aber dann überraschten mich Parrellas Sätze. Mal sind sie zart, poetisch, dann wieder alltagssprachlich platt (wenn sie z.B. über Elisabettas Schwägerinnen spricht). Und dann sind da noch ihre wunderbaren Dialoge:

„»Diesmal ist es anders.«
»Weil du sie zu Weihnachten mit zu dir genommen hast?«
»Nein, weil ich gewachsen bin, Kommandant, ich passe nicht mehr durch Alice’ Türchen.«“ (S.119/120)

Valeria Parrellas „Versprechen kann ich nichts“ ist ein Buch über die Hoffnung und über den Wert von Beziehungen und Gemeinschaft auch an vermeintlich rauen Orten. Und wirklich lesenswert.

 

Valeria Parrella: Versprechen kann ich nichts.
Hanser Verlag, Februar 2021.
144 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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