Tove Ditlevsen: Jugend

„Jugend“ ist der zweite Band der autofiktionalen Kopenhagen-Trilogie. Der Vorgänger „Kindheit“ erschien bereits im Januar 2021 im Aufbau Verlag.

Tove ist der Kindheit entkommen. Doch die Jugend scheint kaum besser zu sein. Phasenweise wirkt Tove wie eine Fremde im eigenen Leben. Ihre erste Anstellung als Haushälterin dauert nur einen Tag, die Vierzehnjährige ist vollkommen überfordert. Sie schlägt sich von einem Job zum nächsten durch und ist überzeugt, dass ihr wahres Leben erst mit achtzehn Jahren beginnen wird. Als der Redakteur stirbt, der ihr einst sagte, sie solle mit ihren Gedichten in ein paar Jahren wiederkommen, liegt ihr großer Traum in Scherben. Trotzdem schreibt sie weiter, humorige Auftragsarbeiten für Geburtstage und Jubiläen, aber auch echte Gedichte; nach und nach vermag sie zu erkennen, wenn sie gut sind. Ihre Lebenswirklichkeit ist ernüchternd, das lange und qualvolle Sterben ihrer Tante Rosalia, die auch in Dänemark wachsende Begeisterung für die Nazis, die Stelldicheins mit beliebigen Jungen bei Tanzabenden. Tove spürt nichts, wenn sie geküsst wird.

Sie spürt auch nichts, als sie den Verleger Viggo F. Møller kennenlernt, einen ältlichen Mann ganz in grün, den sie als Kandidaten für eine Heirat in Betracht zieht. Nichts außer freudiger Erregung, denn er könnte ihren Traum wahr werden und Toves Gedichte in seiner Zeitschrift erscheinen lassen. Das würde ihr die Türen zu einer anderen Welt öffnen, der Welt der Künstler.

Die vollständige Abwesenheit von Liebe in Toves Jugend hat mich beim Lesen ernüchtert. Ihre präzisen Beschreibungen wie in „Kindheit“ sind da, sie sucht noch immer nach dem Trost der Worte, doch das Zarte, Träumerische ist Tove und ihrem Text abhandengekommen. Kein Wunder in dem Milieu, dem Tove mit Mühe entflieht, und in Zeiten wie damals.

Der dritte Band „Abhängigkeit“ wird Tove und mir wahrscheinlich einiges abverlangen.

Tove Ditlevsen: Jugend.
Aufbau Verlag, Februar 2021.
154 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Ines Niederschuh.

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