Tomás González: Was das Meer ihnen vorschlug

meerBereits nach wenigen Zeilen weiß man: Diese Geschichte kann keinen guten Verlauf nehmen. So wird der Autor nicht müde, seine Figuren auch im weiteren Fortgang das dramatische Geschehen, das sich weit draußen auf dem Meer entwickelt, vorhersehen zu lassen. Vielleicht bleibt die Spannung eben deshalb erhalten.

Die sechsundzwanzigjährigen Zwillinge Javier und Mario leben in einem kleinen Fischerdorf in Kolumbien. Um Eintönigkeit und Widrigkeiten des Alltags zu entfliehen, nehmen sie Drogen. Zusammen mit ihrem Vater wollen sie einen Tag und eine Nacht auf See bleiben, um mit einem mehreren hundert Kilogramm schweren Fischfang zurückzukehren. Doch die Zeichen stehen schlecht. Alle um sie herum in der kleinen Siedlung wissen, dass ein Unwetter heranzunahen droht. Selbst die geistig umnachtete Mutter der Zwillinge, die an Schizophrenie leidet, ahnt in ihren wirren Gesprächen mit den imaginären Figuren, die ihr Universum bevölkern voraus, dass das Wetter umschlagen wird.

Javier und Mario sind in den Augen ihres herrschsüchtigen Vaters Nichtsnutze. Der Vater spart nicht an Beleidigungen und Erniedrigungen, mit denen er seine Söhne ständig traktiert.
Mario ist immer derjenige, der am meisten zu leiden hat, weil er dem Vater mehr Kontra gibt. Doch auch Javier, der Stillere ist ungeliebt vom Vater.
Die Zwillinge leiden wie ihre Mutter unter dem cholerischen Vater, die erst wegen den zahlreichen Liebschaften und dem verachtenden Verhalten ihres Mannes gegenüber der Familie seelisch krank wurde.
So trifft ein Unheil auf das nächste: Die hasserfüllte Konstellation zwischen Vater und Söhnen und das brodelnde Unwetter, das die drei auf hoher See erwartet.

Die einzelnen Kapitel sind in die Stunden des Unglückstages unterteilt. Dazwischen kommen verschiedene Personen aus der einheimischen Bevölkerung und Touristen, die sich im Fischerdorf aufhalten, zu Wort.

Das etwas seicht empfundene Ende findet seine Antwort im schönen Schlusssatz, der auch die Message des Romans beinhaltet: „Wie alles in der Welt sind auch die Tropengewitter flüchtig in ihrer Ewigkeit“.

Tomás González: Was das Meer ihnen vorschlug.
Mare Verlag, März 2016.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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