Thommie Bayer: Das innere Ausland

Hundertprozentig verlässlich scheint anfangs nur das Gebell des Nachbarhundes von Protagonist Andreas zu sein. Seit fünf Jahren lebt der Vierundsechzigjährige in einem Haus im Luberon, von dem er den vorderen Teil bewohnt. Im  hinteren Teil lebte seine Schwester Nina. Noch immer hat er ihren Tod nicht überwunden. Schon im Kindesalter hatte Andreas sich um die jüngere Schwester gekümmert, nachdem die Mutter der beiden von einem Auto überfahren wurde. Beide, Nina und Andreas fühlten sich schuldig am Tod der Mutter. Als der Vater auch noch stirbt, wachsen die Geschwister noch enger zusammen, obwohl sie in zwei unterschiedlichen Pflegefamilien untergebracht sind.

Erst als aus Nina nach dem Abitur eine rastlose Reisende wird, entstehen lange Lücken, in denen es nur wenig Kontakt gibt. Ninas Spuren führen nach Amerika, als die Verbindung zwischendurch ganz abbricht und  Andreas sogar befürchtet, seine Schwester könne nicht mehr leben.

Wie aus dem Nichts taucht Nina wieder auf, die Vertrautheit ist wieder da und die beiden bleiben wieder wie zu ihrer Kindheit miteinander verbunden.

Als nach Ninas Tod plötzlich die junge Malin, die sich als Ninas Tochter entpuppt, bei Andreas auftaucht, setzt Andreas sich  intensiv mit der Vergangenheit auseinander. Er, der selbst einst auch Sehnsucht nach der großen Welt hatte und als Schlafwagenschaffner viele europäische Großstädte sogar ständig bereiste, war darin nicht aufgegangen und ein in sich Gefangener geblieben.

Durch Malin lernt Andreas wieder die Schönheiten der provencialischen Umgebung in der er lebt, zu sehen. Die junge Frau gibt Andreas etwas zurück, das ihm neuen Halt und eine Perspektive bietet. Beide erzählen sich gegenseitig in Rückblicken aus ihren Leben, das mit Gegenwartshandlungen abwechselt. Ein ganzheitliches Bild entsteht, der Kreis schließt sich.

Thommie Bayer öffnet seinen LeserInnen den Blick auf alltägliche Charaktere, deren verschiedene Lebensstationen, Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden. Wie viel anders hätte das Leben für sie verlaufen können, wenn sie manchen Menschen nicht oder anderen vielleicht rechtzeitig begegnet wären. Wenn sie mehr Mut gehabt oder umsichtiger gelebt hätten…

Letztendlich verdeutlicht die Geschichte, dass das Leben immer wieder Chancen, etwas neu oder anders zu gestalten, bereit hält.

Wie von Thommie Bayer gewohnt, schnell zu lesende gute Unterhaltungslektüre.

Thommie Bayer: Das innere Ausland.
Piper, August 2018.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.