Tessa Korber: Alte Freundinnen

Freundschaft ist etwas sehr Kostbares, besonders wenn sie über viele Jahre existiert. Eine solche Freundschaft besteht zwischen Franziska, Annabel, Nora und Luise, die sich seit ihren Studienzeiten kennen. Jede ist anders und ihre Lebenswege sind völlig unterschiedlich, dennoch haben sie über die  vielen Jahre zusammengehalten, standen einander zur Seite, teilten Freud und Leid. Und sie hatten einen Traum: im Alter wollten sie zusammenziehen, eine WG bilden.

Das ist der Ausgangspunkt des Romans von Tessa Korber. Die Autorin, Jahrgang 1966 und in Nürnberg lebend, beginnt ihre Geschichte, als Franziska, ständig am Rande der Pleite lebende Schriftstellerin, genervt von ihrer Aushilfstätigkeit in einem Altersheim, diesen Traum wieder aufleben lassen möchte. Die vier Frauen sind inzwischen alle über 60. Annabel lebt als pensionierte Lehrerin in einer nahezu staubfreien Wohnung. Nora hat Karriere gemacht und nimmt sich meist, was sie will. Und Luise ist frisch verwitwet.

Es bietet sich die Gelegenheit, in Franziskas Elternhaus zu ziehen. Das erfordert zwar einige Umbaumaßnahmen und verlangt von Franziska, sich wieder in die dörfliche Gemeinschaft einzufügen, aus der sie als junge Frau geflohen war, aber die vier Frauen gehen dieses Projekt mit Begeisterung an. Annabel, die immer mehr erblindet, findet eine neue Liebe. Nora wird schwer krank, Luise entschwindet in ihre eigene Fantasiewelt und Franziska schreibt ein neues Buch.

All das erzählt Tessa Korber mit erstaunlich leichter Feder, ohne dabei Tiefgang missen zu lassen. Die Frauenfiguren sind so authentisch, dass sich die Leserin wünscht, ihnen im wahren Leben zu begegnen. Jede Frau kann sich in der einen oder anderen Eigenart der Protagonistinnen wiederfinden. Den Problemen, die sich ihnen in den Weg stellen, stellen sie sich mit Bravour, auch wenn manche Narbe bleibt. Es scheint nicht nur die Sonne für die WG-Bewohnerinnen, es gibt Streit und Auseinandersetzungen, sie werden bedroht und es gibt auch manch einen neuen Mitbewohner.

Die Erzählperspektiven wechseln zwischen den vier Frauen, ohne dass Brüche entstehen. Die Handlung ist so fesselnd, dass ich das Buch erst beiseitelegte, als ich die letzte Seite gelesen hatte. Der Schluss ist dann zwar ein wenig kitschig geraten, das trübt die Lesefreude aber nicht. Die Spannung im Roman entsteht dabei nicht aus grober Action, sondern vielmehr aus der Entwicklung der Protagonistinnen, auch wenn es manchen wundern mag, dass sich Menschen jenseits der 60 noch entwickeln.

Ein wunderbar berührender, realistischer und herzerwärmender Roman. Fast wünsche ich mir, die Geschichte um Franziska und ihre Freundinnen fände eine Fortsetzung.

Tessa Korber: Alte Freundinnen.
DuMont Buchverlag, Juli 2021.
336 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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