T. S. Orgel: Die Blaustein-Kriege 02: Sturm aus dem Süden

Die Macht des Kaiserreichs Berun ist legendär. Seitdem, vor Generationen die Reisenden die Götter niedergeworfen hatten, herrscht Berun über weite Teile der bekannten Welt. Feinde wurden unterworfen und zwangs-eingegliedert, Vasallen ans Reich gebunden.

Neben der Inquisition sorgte der Orden und dessen Ritter und Kriegsknechte dafür, dass der Machtanspruch absolut und unantastbar blieb. Der Orden hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe der Reisenden zu bewahren und dafür Sorge zu tragen, dass die alten, besiegten Götter nie wieder aus ihrem Grab zurückkehren. Dass sie dabei die durch Blaustein geweckten, verpönten und unter Ächtung gestellten besonderen Gaben der Naturvölker selbst nutzen ist ein streng gehütetes Geheimnis. Doch es regt sich Widerstand gegen den schwachen, seinem eigenen Geschlecht zuneigenden Kaiser und dessen bestimmende Mutter. Widerstand von innen, wie von außen. Die Vasallenvölker rebellieren, eine Prophezeiung macht die Runde, dass die alten Götter aus ihrem Grab befreit und zu neuer Macht erhoben werden können.

Wieder stehen ganz unterschiedliche Personen im Fokus des Geschehens. Schwertmann Marten, einer der vielen Adeligen des Reiches, dessen Ego größer als sein Schwert ist, ein Mann der Frauen, ein Lebemann ohne wirkliche Perspektive wurde ins Protektorat Macouban verbannt. Hier trifft er auf die Fürstentochter Emeri, die nominelle Herrscherin der Provinz und klerikale Hohepriesterin der dort im Verborgenen angebeteten Naturgottheiten. Dass sie von den ausländischen, in die Provinz eingeschleusten Truppen gefangen genommen werden ist bei weitem nicht das Schlimmste, das ihnen bevorsteht …

Die Farbige Sara, deren Eltern ursprünglich aus dem fernen Macouban stammen und als Sklaven ins Reich kamen, wuchs in den Gassen der Elendsviertel der Kaiserstadt heran. Dass sie eine Gabe ihr eigen nennt, mittels der sie unscheinbar wird, man sie nicht bemerkt, hat ihr die Aufmerksamkeit von Thoren, dem Anführer der Truppen der Kaisermutter, eingebracht. Als sie bemerkt, dass sie nur ausgenutzt werden soll, dreht sie den Spieß um und verfolgt ihre eigenen Ziele.

Messer ist einer der besten Auftragsmörder des Reiches. Mit seiner Gabe, seinen Opfern die Schmerzen zu nehmen und seinem eher unauffälligem Äußeren erinnert sich niemand wirklich länger an den Mann. In der Provinz Macoubad gestrandet verbündet er sich mit einigen Rittern des Ordens um gegen die Invasion und die Verräter vorzugehen – und stößt dabei auf einen neuen, alten fast vergessenen Gegner.  Danil und der Wilde Bogk zogen aus, um im hohen unwirtlichen Norden mit Hilfe des Ordens die dort nach wie vor angebeteten Naturgötter und deren heiligen Stätten auszulöschen – ein Unternehmen, das nicht unter dem besten Stern steht.

Die Gebrüder Orgel haben sich ihre erste Sporen mit der Völkerroman-Trilogie um die Orks und Zwerge (Heyne) verdient. Zusammen mit Carsten Steenbergen haben sie darüber hinaus den ersten Teil einer Steampunk-Serie vorgelegt und bewiesen, dass sie auch außerhalb von Axt und Schwert zu überzeugen vermögen.

Nun präsentieren sie uns den zweiten Band ihrer ganz eigenen Blausteinkriege-Saga. Weit von den Völkerromanen entfernt wartet hier ein weit gespanntes Panoptikum auf den Leser, das ganz eigenwillig unterhält. In den diversen Handlungssträngen stellen uns die Autoren nicht nur die geographisch wie völkerkundlich unterschiedlichsten Handlungsorte vor, sie punkten auch mit markanten Figuren. Zwar meint der Leser, diese schnell in eine Schublade einordnen zu können, wird dann aber durch deren Entwicklung angesichts der Geschehnisse, die ihnen widerfahren, immer von Neuem überrascht. Dabei offenbaren die Gestalten eine ungewöhnliche Tiefe, die neben den vielen Geheimnissen, Wendungen und Fährnissen, die es zu überstehen gilt für weitere Spannung sorgt.

Immer deutlich zeichnet sich darüber hinaus das Bild eines Reiches ab, das im Niedergang begriffen ist. Korrupt, dekadent, zu satt und ohne verbindende Vision scheint der Zerfall des Reiches eigentlich unabwendbar. Doch das Reich wird nicht still uns leise oder ohne Gegenwehr untergehen. Diese Geschichte erzählen die Gebrüder Orgel.

Das ist ein auch gerade wegen der Vielzahl der beschrieben Orte und Gegenden großes Sitten und Gesellschaftsgemälde das weit über das sonst übliche Fantasy-Bild hinausgeht. Hier erhalten wir Einblick, in eine Welt die ähnlich, und dann doch wieder ganz anders als unsere eigene Vergangenheit ist, die Kolonialismus, Ausbeutung und eine skrupellose Herrschaftsklasse sowie gierige Händler beinhaltet, aber auch Götter, fremde Wesen und einen Klerus, der sich verbotener Kräfte bedient.

Das alles atmet das Abenteuer, die dreckige Realität und Exotik und kann so jedem, der sich einmal von dem Gewohnten wegbegeben will empfohlen werden.

T. S. Orgel: Die Blausteinkriege 02: Sturm aus dem Süden.
Heyne, Oktober 2016.
640 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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