T.C. Boyle: Die Terranauten

Anfang der 90er-Jahre haben sich in den USA acht Menschen für zwei Jahre in eine künstliche Welt einschließen lassen, um ein Leben zu simulieren, das vollkommen unabhängig vom Rest der Erde auskommt. „Biosphäre 2“ hieß das Projekt. Es sollte wissenschaftliche Erkenntnisse für eine mögliche Station auf dem Mars liefern.

US-Kultautor T.C. Boyle hat unter dem Titel „Die Terranauten“ die Erfahrungen der Teilnehmer von damals zu einem 600-Seiten-Wälzer verarbeitet: Mit großem Enthusiasmus gestartet, kommt es schnell zu ersten Problemen. Die selbst erzeugten Nahrungsmittel sind einseitig und reichen nur so gerade eben aus, um das ganze Team zu ernähren. Wenn die Sonne draußen nicht scheint, produzieren die Pflanzen im Innern des Glaskomplexes nicht genügend Sauerstoff. Der Wert sinkt auf ein Level, das gefährlich für das Überleben der Menschen und Tiere wird.

Letztlich kann das Experiment von damals als gescheitert erklärt werden, denn die Luftschleuse musste mehrmals geöffnet werden – unter anderem, um große Mengen Sauerstoff einzuleiten.

Noch schlimmer sind die Streitigkeiten untereinander, die sowohl in der Wirklichkeit damals als auch im Roman immer heftiger werden.

T.C. Boyle schreibt seine Geschichte abwechselnd aus drei verschiedenen Perspektiven: Zu Wort kommen Egoist und Frauenheld Ramsay, seine Freundin Dawn und die alkoholgefährdete Linda, die es nicht verwinden kann, nicht zum Team zu gehören, und das Geschehen von außen betrachtet.

Natürlich hat Boyle die realen Ereignisse von damals mit jeder Menge amouröser Abenteuer und allerlei anderem Menschlichen wie Hass, Neid, Missgunst, zurückgewiesener Liebe und sogar einen handfesten Skandal aufgepeppt. Und vielleicht steckt darin ja sogar die Kernaussage dieses Romans: Selbst wenn man technisch ein solches Leben unter Glas noch so gut vorbereitet, wird man nie den menschlichen Faktor in den Griff bekommen. Und einen Bezug zur realen „Biosphäre 2“ hat das dann doch: Eine der Teilnehmerinnen damals hatte starke Depressionen und musste – per Telefon – therapiert werden.

Für all jene, die sich für dieses über 20 Jahre alte und etwas in Vergessenheit geratene wissenschaftliche Experiment – das zudem leicht sektiererische Züge trug – heute nicht mehr besonders interessieren, hat dieser Roman durchaus Längen. Missraten ist er allerdings keinesfalls, schließlich sind die handelnden Figuren psychologisch genau und glaubwürdig durchleuchtet.

T. C. Boyle: Die Terranauten.
Hanser Verlag, Januar 2017.
608 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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