Szczepan Twardoch: Drach

drachDer polnische Autor Szczepan Twardoch ist deutschen Lesern seit 2014 bekannt. Damals erschien sein wuchtig-düsteres Erstlingswerk „Morphin“, das mit den Themen Drogen, Sex, Gewalt und andere menschliche Abgründe einen faszinierenden Lesesog entwickelte.

Um menschliche Abgründe geht‘s auch in seinem neuen Werk „Drach“, aber diesmal macht es der 1979 geborene Autor seinen Lesern ungleich schwerer als im Erstling. Er erzählt keine lineare Geschichte, sondern springt – manchmal mehrmals auf einer Seite – wild durch die Zeiten. Das erfordert ein Maximum an Konzentration. Außerdem empfiehlt es sich, ein Namensregister anzulegen, sonst droht man in der Vielzahl der handelnden Figuren zu ertrinken.

Im Zentrum steht das Leben Josef Magnors und das seiner Nachkommen im mal polnischen, mal deutschen Schlesien. Die Erzählung umfasst dabei eine Zeitspanne von über 100 Jahren – vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.

Sie beginnt mit dem missglückten Schlachten eines Schweins, das sich dem kleinen Josef genauso tief einprägt wie einige Jahre später die Gräuel in den Schützengräben des 1. Weltkriegs. Twardoch greift dabei – wie schon in „Morphin“ – zu äußerst drastisch-deftigen Bildern. Da fließt das Blut, da spritzen die Innereien, da wird sich geprügelt und wild kopuliert, dass es nur so kracht. Alle paar Seiten gibt‘s eine neue Leiche.
Ungewöhnlicher Erzähler dieses Romans ist eine Art allwissende Erde, die ähnlich eines Gottes das Schicksal eines jeden Menschen kennt.

Anhänger von Quentin-Tarantino-Filmen werden sicherlich an vielen Szenen ihre Freude haben, und doch bietet dieses Buch letztlich nicht den Lesegenuss von „Morphin“. Zu verschlungen ist diesmal der Handlungsfortgang, den man sich wie in einem Puzzle in mühevoller Kleinarbeit zusammensetzen muss.

Szczepan Twardoch: Drach.
Rowohlt, März 2016.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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