Susanne Schmidt: Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei: Eine Berliner Busfahrerin erzählt

Sind wir doch mal ehrlich: Wer achtet im täglichen Berufsverkehr, bei Stress und Hektik im Alltag, auf die Fahrer und Fahrerinnen im Öffentlichen Nahverkehr? Nun, ich werde jedenfalls künftig mehr hinschauen, mal ein Lächeln schenken, freundlich grüßen und mich dabei an dieses Buch erinnern.

Susanne Schmidt, damals Anfang Fünfzig, meldete sich auf einen Aufruf der Berliner Verkehrsbetriebe. Man suchte gezielt „ältere Frauen“ für den Beruf als Busfahrerin. Nun sollten also Frauen, bevorzugt ältere – denn die sind belastbarer, stressresistenter und sie werden nicht mehr schwanger – in diese Männerdomäne eindringen. Dass das nicht einfach werden würde, war auch ihr von Anfang an klar. So durchläuft sie unverdrossen und ohne ihren Humor zu verlieren, die harte Ausbildungszeit, drückt die Schulbank, büffelt all die Vorschriften und Regeln. Und lernt es, einen Bus zu fahren. Zwölf oder gar neunzehn Meter Fahrzeug durch die Straßen Berlins zu kutschieren, durch enge Straßen, Kreisverkehre, dunkle Ecken und große Bahnhöfe.

Etwa die Hälfte des Buches ist der Ausbildung gewidmet. Die Autorin schildert detailreich und humorvoll alle Facetten dieses Berufs, all die Schikanen, denen die Frauen durch die Vorgesetzten und die männlichen Kollegen ausgesetzt sind. „Wir machen Männer aus euch“ ist da noch eine harmlose Variante. Nicht alle Frauen, die mit ihr zusammen die Ausbildung begonnen haben, halten durch. Wer von uns, der täglich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, hat sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, was alles zu den Aufgaben der Fahrer und Fahrerinnen gehört: die Sicherheit des Fahrzeugs, Überprüfung aller technischen Anlagen, die Reinigung des Innenraums, Abfallbeseitigung. Und nicht zu vergessen: die Streckenführung. Ständig übernehmen die Fahrerinnen andere Buslinien, die jeweiligen Routen müssen sie in ihrer Freizeit lernen, müssen sich merken, wo die Haltestellen sind, wo die Kurven zu eng sind für ihren Bus, müssen unmittelbar umplanen, wenn Verkehrsstörungen gemeldet werden. Mit anderen Worten: der Beruf ist der wahre Stress.

Im zweiten Teil dann erzählt Susanne Schmidt von den alltäglichen Begebenheiten. Immer freundlich und mit Augenzwinkern beschreibt sie verschiedene Typen von Fahrgästen, berichtet von ihren Ängsten, wenn sie bei tiefster Dunkelheit in unbekannte Stadtteile gelangt und ihre Strecke nicht wiederfindet. Sie beschönigt nichts, verurteilt aber auch nicht.

Das Buch liest sich flott, es ist flüssig und unterhaltsam geschrieben. Dabei ist es nicht unbedingt so lustig, wie der Titel vielleicht suggeriert, dafür aber zeugt es von der Freude, mit der Susanne Schmidt diesen Beruf ausgeübt hat, trotz der Arbeitsbedingungen. Ein wenig wirkt das Buch, als hätte sie sich die Dinge von der Seele schreiben müssen, um sie zu verarbeiten.

Susanne Schmidt: Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei: Eine Berliner Busfahrerin erzählt.
hanserblau, März 2021.
208 Seiten, Taschenbuch, 17,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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