Steven Price: Die Frau in der Themse

1885 stirbt Charlotte Reckitt in London – doch wo ihr Leben endet, erreicht ihre Geschichte die Pointe. Wie ist sie gestorben? Ermordet. Vermutlich. Aber wer kann das schon so genau wissen? Sie war eine schöne Frau, stolz, unabhängig und vor allem eine Gesetzlose.

Im Leben war sie das Ziel zweier Männer: William Pinkerton, ein berüchtigter Dedektiv aus Amerika, und Adam Foole, ein Dieb und Gesetzloser, genau wie Charlotte. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, doch nun werden sie gegen ihren Willen durch eines einander gebunden: Den Drang, den Mörder von Charlotte Reckitt zu finden.

Für Adam Foole ist sie die Vergangenheit: Eine teuflische Geliebte, die ihn bei seinen größten Verbrechen begleitete, die er aber seit Jahren nicht mehr gesehen hat.

Für William Pinkerton ist sie das Ende einer langen Suche, einer Besessenheit, denn sie hätte ihn zu einem Mann führen können, den schon sein Vater jagte: Edward Shade.

Als Foole und Pinkerton aufeinandertreffen, ahnt keiner der beiden, welche Auswirkungen diese Begegnung haben wird. Beide haben andere Sorgen: Wer ist Edward Shade? Und was passierte wirklich mit Charlotte Reckitt?

Was dieser Roman wirklich hervorragend schafft, ist, vergangene Welten lebendig werden zu lassen. Nicht nur London 1885 wird authentisch beschrieben und zieht den Leser in eine andere Zeit, auch etliche weitere Schauplätze geben ein eindrucksvolles Bild der Vergangenheit wieder. Jede Figur hat ihre eigene Vorgeschichte und jede dieser Geschichten spielt an einem anderen Ort – der Leser wird in der Vergangenheit um die halbe Welt geführt und glaubt, sich selbst dort zu befinden.

Die Handlung an sich ist auch spannend, es werden einige mysteriöse Fragen aufgeworfen, deren Auflösung oft einen Aha-Moment bewirkt. Insofern ein gelungenes Buch.

Allerdings muss die Veranlagung für historische Kriminalromane beim Leser schon vorhanden sein: Das hier ist kein Buch zum schnellen Lesen zwischendurch, einzelne Handlungsstränge werden aufwendig eingeführt und müssen für ein komplettes Verständnis äußerst sorgfältig gelesen werden. Der Roman ist sehr dick und nur jemand, der sich in dem Genre zuhause fühlt, wird die 1000 Seiten mit Spannung durchhalten. Wem diese Art von Erzählung aber bereits in der Vergangenheit Freude bereitet hat, sollte vor der Länge nicht zurückschrecken.

Steven Price: Die Frau in der Themse.
Diogenes, September 2019.
928 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Isabella M. Banger.

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