Sebastian Guhr: Die Verbesserung unserer Träume

Lichtjahre von der Erde entfernt haben Menschen in einem unbedeutenden Sonnensystem eine Stadt gebaut. Die Oneiropole sollte Symbol einer neuen, besseren Gesellschaft werden. Aber Rheit ist ein feindseliger Planet und die früheren Ideale der Siedler sind längst zu hohlen Phrasen verkommen – soviel (und etwas mehr) verrät bereits der Klappentext des sonderbaren und besonderen Buches von Sebastian Guhr.

Die Nachfahren der ersten Siedler führen ein geordnetes Leben, 20 Lichtjahre von der Erde entfernt, abseits von Handlungsrouten in einem offenbar besiedelten Weltraum, fernab anderer bewohnter Planeten. Das Wohnschiff Prometheus, mit dem sie angekommen sind,  wurde zerstört, aus den Trümmern wurde ein Frachter gebaut, der gerade dazu nutze ist, von Rheit zum Außenparasiten zu pendeln. Der Frachter liefert einen Rohstoff, die Droge Kys, deren Anwendung Pflicht ist.

Das Leben der Menschen folgt strengen Regeln:  Das „Zentralpanel“ fordert Selbsterweiterung, Optimierung des Einzelnen, eine Religion gibt es nicht, alte Religionen werden erklärt als eine naive Idee eines großen Beschützers; überhaupt gibt es Worte, die es nicht (mehr) geben dürfte und zahlreiche Regeln, die Gesellschaft „gesund“ zu erhalten. Es gibt taugliche Mitglieder der Gesellschaft und „Verstockte“ und „Unvermittelbare“ (letztere gibt es in unserer Welt dem Wortlaut nach grausigerweise auch), Menschen werden zur „Revision“ ins „Extensum“ geschickt, um wieder nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden.

Alle arbeiten nach festen Regeln nur bestimmte Zeiträume in einem Bereich, um dann zu wechseln. Auch Familien wechseln regelmäßig ihre „Eltern“ aus, diese Rotation ist Teil der Gesellschaftsordnung, die von einigen Bewohnern erfolgreich unterlaufen wird.

Gleich zu Beginn des Romans wird deutlich, dass etwas aus den Fugen geraten ist, etwas Unerwartetes die Menschen in der Einsamkeit des Alls eingeholt hat und ihre Regeln und gesellschaftlichen Grundsätze angreift. Der Grundsatz der Siedler, die zu Rheit aufgebrochen sind, lautete: Reißt die Träume von den Bäumen und pflanzt sie in ein Meer aus Zuversicht. Es sind nun ausgerechnet Träume, die die Menschen auf Rheit verwirren und ihre Ordnung bedrohen. Sie werden häufiger, realistischer, erschreckender. Es fällt schwer, Traum und Realität zu trennen. Homunc-Brille und Akont bändigen den Drang zu träumen nicht mehr.

Kys soll zwar das Träumen lindern und die Träume weniger erschreckend werden lassen, das gelingt aber nun nicht mehr und die Träume müssen anders gebändigt werden. Herl, eine Politikerin des Zentralpanels, will alle Träume aller Bewohner permanent überwachen. „Störträume“ sollen so ihre Bedrohlichkeit verlieren, wenn sie allen deutlich werden. Die Forscher Dix und Krais versuchen, die Störträume mit einer Maschine zu bannen und sogar in nutzbare Energie umzuwandeln.

Schließlich scheinen alle Bemühungen umsonst und die Figuren ziehen den Leser in eine Welt, die nur noch aus Träumen zu bestehen scheint, irrationale Entscheidungen werden getroffen, merkwürdige Wesen tauchen auf, die Regeln von Zeit und Raum gelten nicht mehr.

Die Träume und Fantasien von Herl, Dix und Krais erscheinen auch den Lesern bedrohlich, weil unberechenbar. Sehnen sich die Figuren und der Leser manchmal in die geordnete Welt von Rheit zurück? Wieviel Traum, wieviel Ordnung braucht eine funktionierende Gesellschaft? Können Träume künstlich verbessert werden und was ist ein guter Traum?

Am Ende des Romans trifft Krais eine Entscheidung, die für die Geschichte Rheits eine überraschende Wende bringt.

Das Funktionieren in der Gesellschaft, die Optimierung des Individuums und sein Unterbewusstes, nicht optimierbares Selbst, das sich in Träumen seinen Weg bahnt – diese Beschreibung des Romans fasst noch nicht die Figuren, ihre Ängste, Träume, Pläne und Beziehungen, ihre Familien.

So gibt es einen kleinen Jungen Chao, der von Anfang an nicht in die Ordnung der Gemeinschaft passt und der sich für die Ur-Bewohner Rheits interessiert.

Sebastian Guhr: Die Verbesserung unserer Träume.
Luftschacht Verlag, September 2017.
196 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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