Samuel Selvon: Eine hellere Sonne (1952)

Wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erlebt die Insel Trinidad einen Ansturm von Menschen: Arbeitssuchende von den Nachbarinseln, jüdische Flüchtlinge aber auch Amerikaner und Engländer, die auf der Insel ihre Stützpunkte ausbauen. Der sechzehnjährige Tiger kennt bis dahin nur die Arbeit im Zuckerrohrfeld und abends das Spielen mit seinen Freunden, die ebenfalls Kinder armer indischer Bauern sind. 1940 wird Tiger mit der gleichaltrigen Urmilla verheiratet. Die beiden sehen sich auf dieser arrangierten Hochzeit zum ersten Mal. Und ebenfalls zum ersten Mal verlassen sie ihr Heimatdorf, um in das Dorf Barataria, vier Meilen östlich der Hauptstadt Port of Spain, zu ziehen. Ihr völlig auf sich selbst gestelltes Leben beginnt in einer baufälligen Lehmhütte, mit einer Kuh und einem Stück Acker. Das Einzige, worüber sich Tiger im Klaren ist: Ein Mann trägt Verantwortung, trinkt Rum und raucht. Schnell begreift er seine fehlende Bildung und Lebenserfahrung, aber auch, dass etwas Großartiges passieren wird.

Neben dem Nobelpreisträger V.S. Naipaul zählt Samuel Selvon (1923 – 1994) zu den Vertretern der karibischen Literatur. 1950 zog er nach London, wo er als Autor international bekannt wurde. 1952 erschien sein Debüt Eine hellere Sonne, in dem er seinen einzigartigen Stil, die Kombination aus dokumentarischem Erzählen und der Wiedergabe der kreolischen Umgangssprache zeigt. Übersetzt wurde dieser Roman von Miriam Mandelkow.

Der Leser erfährt unmissverständlich, wie und warum Selvons Charaktere in einen geschichtlichen Kontext katapultiert werden und darauf reagieren. Um das Bild des politischen Wandels im multikulturellen Schmelztiegel zu vervollständigen, wechselt der Autor häufig die Perspektive zu den anderen Charakteren wie Nachbarn und Tigers Wegbegleitern. Seine Darstellung der harten Lebensbedingungen, Rassismus und Gewalt ziehen im Geschehen so beiläufig vorbei, als seien sie unvermeidbare Regenschauer. Sie sind auch der Motor für Tigers Hunger nach Bildung und Lebenserfahrung. Dabei steht das freundschaftliche Miteinander im Vordergrund. In Samuel Selvons Roman soll das Schöne im Leben ein größeres Gewicht haben als erlittenes Unrecht durch britische Kolonialherrschaft.

Das Abenteuer Leben beschreibt der Autor aus diesem Grund lehrreich, kurzweilig, mal spannend, mal komisch und macht Hunger auf seine anderen Romane.

„… Alle warteten darauf, dass die Amerikaner kamen, um das Land zu vermessen. Tiger hatte eine Vorahnung, dass sein Acker weichen müsse. Er wollte es so, er wollte Veränderung.“ (S. 133)

Samuel Selvon: Eine hellere Sonne (1952).
dtv, August 2019.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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