Rio Youers: Westlake Soul – Im Griff des Todes

Was geht in einem Menschen vor, der im Wachkoma liegt. Wie muss er sich fühlen, wie erlebt er seine Umwelt und wie stellt er sich zu seinem Dasein? Fragen, die für Westlake Soul, einem jungen, gesunden Surfer Marke Sonnyboy ganz weit weg sind. Für ihn besteht sein Leben aus Liebe zu seiner Freundin, seiner Familie und seinem Hund und seiner Erfüllung – die Welle zu reiten. Eines Morgens will er fast allein am Strand die perfekte Welle reiten – eine Monsterwelle, die sich als ein wenig zu groß für ihn herausstellt. Die Sauerstoffversorgung seines Gehirns setzt zu lange aus, es kommt zu irreparablen Schädigungen des Hirnstamms.

Alles, was er je im Leben wollte, alles was er sich erträumte, auf das er hingearbeitet hat – perdu. Jetzt liegt er in seinem Körper gefangen zu Hause im Bett, einer Pflegerin kommt jeden Tag, um ihn zu waschen und die Windel zu wechseln. Die künstliche Ernährung überwachen seine Eltern.

Doch Westlake ist geistig voll da in seinem Gefängnis Körper – mehr noch, er entdeckt Kräfte, zu denen ein gesunder Mensch keinen Zugang hat. Er löst den Geist aus dem Körper, begibt sich auf die Reise. Celeberties wird beim Duschen zugeschaut, dann besucht er die Schönheiten der Welt, taucht mit den Walen in die Tiefen der Ozeane und fühlt sich wie Superman – nur dass auch auf ihn ein Gegenspieler lauert. Als seine Eltern beschließen, die Maschinen abzuschalten und die künstliche Ernährung abzustellen ahnt er, dass ihm nicht mehr viel Zeit verbleibt. Zeit, die es gilt sinnvoll zu nutzen …

Was ist das für ein Buch, das Olaf Buchheim in seinem Verlag hier vorlegt? Auf den ersten Blick ein Buch über einen Menschen, der übersinnliche Kräfte verliehen bekommt. Er kann Gedanken lesen, sich mit Tieren verständigen, seinen Geist auf Reisen schicken – doch irgendwie ist das unwichtig. Dem Autor geht es um etwas ganz anderes. Das anrührende, aufwühlende und einfühlsame Buch ist ein glühendes Fanal für die Liebe und das Leben – und ein Buch über das Sterben und die Furcht davor. Der Kanadier Youers packt seine Aussagen, dass das Wichtigste im Leben die Liebe und das Unwichtigste die einen lähmende Angst vor dem Tod sei in eine ergreifende Geschichte eines jungen Mannes. Zusammen mit diesem erleben wir seine letzten Monate und Wochen mit, fühlen seine Dankbarkeit für die Pflege und Hilfe der Familie wie der Pflegekraft, seine Hoffnung, seine schleichende Akzeptanz des Unausweichlichen, auf das er, allen versuchen zum Trotz, keinen Einfluss hat.

Der Plot hat mich mit einer seltenen Wucht gepackt, hat mich betroffen gemacht, zuerst traurig, ob des Schicksals und der Hilflosigkeit Westlakes, dann hoffnungsfroh, weil der junge Mann zu sich findet, einen Ausweg zu finden scheint. Dann die Entscheidung die Maschinen abzustellen, der unaufhaltsame Tod der immer näher kommt – all das geht dem Leser unter die Haut, berührt Urängste wie Hoffnungen.

So ist dies ein Buch, ein Roman der das Beste erreicht, was man von einem Buch sagen kann – er berührt den Leser, er bereichert den Rezipienten und er liest sich nicht nur flüssig und kurzweilig sondern auch tiefsinnig und schafft es dabei auch noch zu unterhalten.

Rio Youers: Westlake Soul – Im Griff des Todes.
Buchheim Verlag, August 2020.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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