Renate Welsh: Die alte Johanna

Renate Welsh knüpft mit ihrem Buch „Die alte Johanna“ an ihren Bestseller „Johanna“ aus den 1980-er Jahren an. Aufgrund eines ausführlichen Vorwortes muss man letzteres nicht unbedingt gelesen haben, um sich in dieser Fortsetzung zurechtzufinden.

Johanna, Bäuerin, Mutter von acht Kindern und verwitwet, zieht zu ihrer Tochter Martha, weil sie zunehmend auf Unterstützung angewiesen ist. Ihr Haus übernimmt ihr Enkel; es gibt also kein Zurück für sie. Obwohl von Martha liebevoll betreut, fällt es ihr anfangs nicht leicht, ihr neues Leben anzunehmen, ist in ihrem neuen Zuhause doch alles anders als daheim auf ihrem Hof und erst recht im Vergleich zu früher, als sie jung war. Schließlich aber, so hat man den Eindruck, gewöhnt sie sich an ihre neue Umgebung.

In Rückblenden erinnert sich Johanna sowohl an alltägliche als auch an besondere Ereignisse in der Vergangenheit. Auseinandersetzungen mit ihrer Schwägerin kommen ihr in den Sinn, Schicksalsschläge in der Nachbarschaft, Mangel an vielem und sie muss sich eingestehen, dass sie ihre Kinder nicht wirklich kennt, weil sie sie zwar versorgt, gekleidet und gewaschen, aber auch geschlagen und keine tiefere Bindung zu ihnen entwickelt hat. Noch jetzt verpasst sie Ihrem Ältesten bei einem Besuch zwei Ohrfeigen, weil ihr eine Aussage von ihm nicht passt. Mit Schuld an ihrem Verhalten war früher oft die viele Arbeit auf Feld und Hof, die sie täglich stemmen musste, damit genug zu essen auf den Tisch kam. Ihr Mann Peter ging zusätzlich einer Erwerbsarbeit nach, denn der kleine Hof alleine hätte nicht alle ernährt.

In diesem Buch wird oft betont, wie beliebt Johann im Dorf war, wie vehement sie sich gegen Unrecht eingesetzt hat. Sie, das übelst behandelte uneheliche Kind einer Magd. Aber man nimmt dieser Figur Herzenswärme, Empathie und Freundlichkeit nicht so recht ab.

Kleines Textbeispiel: Die Enkelin Sophie besucht Johanna, umarmt sie und tröstet sie, weil sie immer gebrechlicher- und eine Reise nach Mariazell wohl nicht mehr möglich sein wird. „‚Wie schön, es geht dir wieder viel besser. Wenn du nirgends nicht hinkommst, kommst du überall hin. Das ist gut. Ich muss dich sowieso was fragen‘ ‚Du wirst gleich eine fangen!‘

Zwar gibt es in diesem Buch einen gewissen „roten Faden“, Johanna muss aus Altersgründen zu Martha ziehen, ihre Kräfte schwinden zusehends, die Schlaglichter auf ihr Leben sind aber relativ ungeordnet und mehr Bruchstücke als Teile eines Mosaiks. Alle Familienmitglieder umschnurren und verhätscheln Johanna, sie aber bleibt unwirsch und kalt. Warum, erschließt sich nicht so recht.

Fazit: Man ist hier mit einem Rückblick einer Bäuerin auf ein sehr hartes, entbehrungsreiches Leben konfrontiert. Mit einem Buch, zu dem ich aber keinen rechten Zugang gefunden habe, weil es mir nicht gelungen ist, zur Hauptfigur eine Verbindung aufzubauen. Infolgedessen konnte ich ihr Handeln vielfach leider nicht nachvollziehen.

Renate Welsh: Die alte Johanna.
Czernin, April 2021.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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