Rainer Moritz: Als wär das Leben so

Eine ungewöhnliche Frau ist die Protagonistin dieses Romans. Lisa weiß schon als Kind, wie sie sich ihre Freiräume verschafft. Sie hat ihren eigenen Kopf und geht ihre eigenen Wege, schwimmt gegen den Strom und lässt sich nicht beirren. Wenn sie unschlüssig ist, hält sie inne, probiert Dinge aus und ändert ihre Richtung, ohne über verpasste Chancen oder vertane Zeit zu klagen.

Der Autor erzählt uns die Geschichte dieser Frau in Rückblenden. In der aktuellen Zeitebene sitzt sie am Tisch auf ihrem Balkon und versucht, einen Brief zu schreiben, an ihre Eltern. Doch immer wieder bricht sie ab, beginnt neu.

Dabei ist der Stil, in welchem wir von Lisas Leben erfahren, von ihren Erfolgen und ihren Irrtümern, von ihren glücklichen Momenten und den Zeiten, in denen sie unglücklich war, sehr eigentümlich. Rainer Moritz greift einzelne Szenen auf, schildert sie detailliert, überspringt andere Lebensphasen Lisas mit großen Sprüngen. Der Kunstgriff, den er verwendet, liegt in der immer wiederkehrenden Bezugnahme auf Lisas Alter: „Als Fünfjährige, als Achtjährige, als Zwölfjährige, als Fünfzehnjährige.“ (S. 17). So geht es durch das Buch, durch ihr Leben.

Er unterstreicht dabei immer wieder nachdrücklich, wie wichtig, wie essentiell für sie ihre Freiheit ist. Für das Leben ihrer jüngeren Schwester, die früh heiratet und ein Kind nach dem anderen bekommt, fehlt Lisa jedes Verständnis. Lisa hingegen wohnt einige Zeit in einer großzügigen Wohngemeinschaft mit einer anderen, ähnlich unabhängigen Frau. Sie wird ihrer Katze einen Hundenamen geben. Sie wird ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann haben, was genau ihrem Verlangen nach Unabhängigkeit entgegenkommt.

Auch wenn man bei der Lektüre, aufgrund der Andeutungen in den Briefentwürfen, früh ahnt, worauf es am Ende hinausläuft, bleibt der Roman fesselnd, schon wegen dieser ungewöhnlichen Erzählweise. Die, trotzdem sie stets nah an der Protagonistin bleibt, dennoch einen gewissen Abstand bewahrt. Man kommt ihr nicht zu nah, es ist, als respektiere man Lisas Fluchtdistanz.

Ein wegen seines bemerkenswerten Stils zu empfehlender Roman, der sich einprägt.

Rainer Moritz: Als wär das Leben so.
Oktopus bei Kampa, Februar 2021.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.