R. J. Barker: Die Stunde des Assassinen

Wie fängt man einen Dieb? Nein, ich meine jetzt nicht, dass sie die Büttel aus der Kaschemme holen sollen, auch der Mob der einen Menschen, der sich an fremdem Gut vergriffen hat verfolgt, ist nicht gemeint. Einen wirklich versierten Dieb fängt man – ja natürlich am allerbesten durch und mit Hilfe eines anderen Diebes.

Nächste Frage; – wie enttarnt man einen Assassinen? Nun, jetzt ist die Antwort natürlich leicht – durch einen anderen Assassinen. Dumm nur, dass die höchst angesehene Gilde der Assassinen streng darauf achtet, dass ihre Mitglieder einander nicht verraten. Und dies gilt auch, ja um so mehr für die lebende Legende im Geschäft mit dem Auftragstod – Meister Karn. Trotzdem geht Meister Karn und mit dieser ihr Lehrling Girton Klumpfuß das persönliche Risiko ein. Es gilt den Thronerben auf der Burg Maniyadoc vor einem Anschlag zu bewahren.

Dass der Kronprinz ein despotischer, aufgeblasener Mistkerl ist macht es für Girton, der sich, natürlich inkognito, den Junkern anschließt nicht einfacher, auf ihn aufzupassen. Dass der Prinz sich ein Vergnügen daraus macht Girton zu quälen und seine speichelleckende Freunde auf den mit einem Klumpfuß behinderte Krüppel losgehen strapaziert Girtons Geduld. Doch dann findet der Junge nicht nur einen Freund, er verliebt sich auch noch.

Während sich in der Burg, angesichts eines sterbenden Herrschers, eine intriganten Königin, diversen Seilschaften, die alle ihren Anspruch auf die Thronfolge ebenso im Verborgenen wie intensiv vorbereiten und jeder Menge einander argwöhnisch beäugender Fraktionen Anspannung breit macht, stoßen die Assassinenmeisterin und ihr Mündel auf Hinweise, dass auch die geächtete Magie im Spiel ist – ein Hinweis, der dazu führt, dass die Meisterin ihrem Eleven eine dramatische Offenbarung macht – auch er hat die Gabe der die Natur auszehrenden Magie …

Ein Debutroman der eindringlichen, der sehr gut lesbaren Art wartet auf den Leser. Zunächst scheint das Gebotene auch ganz im Bereich des Gewohnten angesiedelt – ein körperlich behindertes Sklavenkind wird von einer Attentäterin gekauft, aufgezogen und ausgebildet. Gemeinsam werden sie engagiert, den Thronerben, der charakterlich nicht eben sympathisch gezeichnet wird, zu schützen. Dazu gesellt sich eine intrigante, herrschsüchtige Königin, ein sterbender, geistig aber reger Herrscher. Soweit Versatzstücke, die uns vom Ansatz her bekannt sind, wohlerprobt und eigentlich eine feste Bank für ein durchaus spannendes Lesevergnügen.

Dann aber geht der Autor, der auf eine lange Karriere als Rollenspieler zurückblicken kann, doch wieder eigene, frische Wege. Natürlich dürfen Intrigen, einander misstrauisch beäugende, ja bekämpfende Fraktionen und jede Menge Geheimnisse nicht fehlen – das Besondere aber liegt in der Magie. Diese ist allseits geächtet, zehrt der Gebrauch der Gabe doch die Natur gnadenlos aus und hinterlässt ein totes Land, auf dem nie wieder etwas Lebendiges wächst.

Unser behinderter Protagonist entwickelt sich im Verlauf der Geschehnisse auch charakterlich weiter. Nicht nur die Nachstellungen der adeligen Junker, seiner erste Liebe, die erste Freundschaft, die er erleben kann, und die zunehmende Ablösung von seiner Ersatzmutter werden wunderbar intensiv und gleichzeitig unauffällig in den Plot hineinverwoben gezeichnet. Dass er mit seiner Rolle, seinen Talenten und nicht zuletzt mit der Offenbarung selbst magische Kräfte zu besitzen hadert, macht ihn als Figur greifbarer und sympathischer.

Zwei Anmerkungen noch zum Buch selbst. Neben der tollen Covergestaltung mit Prägedruck und Spotlackierung fiel mir auf, dass das Buch der erste Titel aus dem Heyne Verlag war, der nicht in Pößneck, sondern in der Tschechischen Republik gedruckt wurde.

In Großbritannien erschien der Band ebenfalls als Trade Paperback bei Orbit. Daneben aber hat ein kleiner Verleger für seine Kunden bei Orbit eine auf 300 Stück limitierte, signierte Hardcoverausgabe drucken lassen. Man stelle sich das vor, wenn ein Deutscher Kleinverlag oder Buchhändler an Random House / Heyne herantreten würde, mit dem Ansinnen von einem Paperback für ihn und seine Kunden parallel zur regulären Ausgabe noch eine gebundene Edition in Kleinauflage drucken zu lassen – eigentlich undenkbar, oder?

R. J. Barker: Die Stunde des Assassinen.
Heyne, Januar 2018.
464 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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