Petros Markaris: Der Tod des Odysseus

Nach dem Trojanischen Krieg irrte Odysseus zehn Jahre über das Meer, bis er auf Ithaka ankam. Den Figuren dieser Geschichtensammlung geht es ähnlich. Ein Athener Kommissar kämpft gegen Korruption und Arroganz. Griechischstämmige Türken suchen diesseits und jenseits des Bosporus nach ihrer Identität. Das moderne Hellas ist auf der Suche nach sich selbst – zwischen Flüchtlings- und Finanzkrise. Mal heiter, mal traurig, aber stets in wundervollen Bildern, beschreibt der Autor das Leben am südöstlichsten Rand unseres Kontinents.

Autor Petros Markaris, Sohn eines Armeniers und einer Griechen, wurde in Istanbul geboren, studierte einige Jahre in Wien und Stuttgart und lebt heute in Athen. Er ist ein moderner Odysseus, ein Grenzgänger zwischen Orient und Okzident. Damit schafft er es vortrefflich, einen Blick ins Innenleben seiner Darsteller zu werfen, die zwischen Familienstolz und Selbstverleugnung schwanken, überall und nirgendwo zu Hause sind.

In „Drei Tage“ beschreibt Makaris die Vorkommnisse rund um das Istanbuler Pogrom vom 6. September 1955, dem viele Minderheiten wie Christen, Juden und Armenier zum Opfer fielen. Er stellt das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland in einen historischen Kontext, von den Entente-Mächten bis zum Zypernkonflikt.

Einen auflockernden, amüsanten Kontrast bilden die Kurzkrimis um den Athener Kommissar Charitos, dessen Fälle ebenfalls im Diogenes Verlag  erschienen sind. Der exzentrische  Kommissar muss in die korrupte Athener Kulturszene eintauchen, wo verletzte Eitelkeiten zu zwei Mordfällen führen. Als wäre das nicht schlimm genug, kommt heraus, dass sein Polizeikollege heimlich Gedichte schreibt und diese zu veröffentlichen gedenkt. „Kein Wunder, dass Griechenland den Bach runtergeht.“

Emotional packend ist die gleichnamige Titelgeschichte. Odysseus liebt seine drei Katzen, die majestätisch auf kunstvoll bestickten Kissen thronen. Nach dem Tod eines Vierbeiners will er in die Türkei zurückkehren, um dort zu sterben. Doch seine alte Heimat heißt ihn nicht mehr willkommen.

Wer kennt sie nicht, die südländischen Großväter wie Odysseus, die vor ihren Hauseingängen auf klapprigen Stühlchen sitzen, um über das Leben zu philosophieren? Lesen Sie diese Geschichten, dann werden Ihnen die alten Herren noch mehr ans Herz wachsen!
Ein berührendes Buch, dessen Melancholie die Prosa wie eine leichte Sommerbrise umweht. Denn: „Das Kommende lässt dich dem Vergangenen nachtrauern.“

Petros Markaris: Der Tod des Odysseus.
Diogenes, Oktober 2016.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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