PeterLicht: Ja okay, aber

Herrlich schräg: Für Freunde der absurden Komik und der halsbrecherischen Wortakrobatik hat Musiker Peter Licht genau das richtige Buch geschrieben. Er versteht es, sich aus den einfachsten Alltagssituationen heraus in wahnwitzigen Gedankenwelten zu verirren. Schwankend zwischen genial und grotesk, schlittert er bisweilen anarchisch gekonnt am guten Geschmack entlang. Doch er kriegt jedes Mal die Kurve und nimmt uns mit auf einen phantastischen Ride der Absurditäten, mitten durch den Alltag eines Co-Working-Büros. Da wird die Kaffeemaschine zum Kapitalismustreiber, an dem sich Co-Worker unterschiedlichster Branchen treffen. Zum Beispiel eine feministisch-nudistische Allroundkünstlerin oder einer, „von dem keiner weiß, was er eigentlich tut“. Sowie ein IT-ler mit Verdauungsproblemen plus diverse gestresste Call-Center-Mitarbeiter, denen die Stimme versagt – samt anderer Vitalfunktionen.

Obwohl der Protagonist praktisch im Space aka Büro lebt und schläft, erleben wir ihn nie bei seiner eigentlichen Arbeit. Auch erfahren wir an keiner Stelle, womit er seine Brötchen verdient. Er möchte arbeiten, er will vorankommen… und verplempert doch seine Zeit in der Gemeinschaftsküche oder in gewagten Projekten seines heimlichen Büroschwarmes, der Allrundkünstlerin. In ihren Theaterstücken kann es passieren, dass „ein Rudel nackter Martial-Arts-Kämpferinnen ein Auto vergewaltigt.“ Am meisten verheddert sich der Ich-Erzähler allerdings in Alltagsfragen, die er mit größter Akribie auseinandernimmt. Da bleibt die Arbeit natürlich liegen. Aber irgendjemand muss es ja tun. Also, die großen Fragen des Lebens beantworten. Oder es zumindest versuchen. Jeder Kreative, der je eine Schaffenskrise durchlebt hat, wird sich köstlich darüber amüsieren, inklusive Wiedererkennungseffekt. Denn die moderne Welt bietet unzählige Möglichkeiten, um vor sich selbst davon zu laufen.

„Ich finde ohne mich statt.“ Dies ist eine der Eingebungen, die den Ich-Erzähler mit ganzer Wucht treffen. Oder: Die Geschichte der Farbe Weiß ist eine Geschichte der Ergrauung. Des Weiteren enttarnt der Protagonist die Mär vom frühen Vogel, der den Wurm fängt. Friseure, Flip-Flops, Fotoblitze – es gibt nichts, was den Protagonisten nicht zu philosophischen Exkursen antreibt. Gestört in seinem täglichen Tun wird er allerdings von seinem alten Freund Shorzi, der gerade eine schwierige Phase durchlebt. Beruflich wie privat gescheitert, zieht Shorzi vorübergehend in seinem Co-Working-Space ein. Dieses böse Omen gipfelt in einer Büroparty, bei der Kaffeemaschinen auf denkbar übelste Art zweckentfremdet werden. Am Ende versinkt alles in Anarchie und Ekstase.

Fazit: Schrill, urkomisch, abgedreht – dabei gleichzeitig klug und tiefgründig. Peter Licht erhielt sowohl den Publikumspreis als auch den 3SAT-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb im Jahr 2008. Als Musiker landete er mit dem Lied vom „Sonnendeck“ einen Sommerhit. Das Allroundtalent schimmert auch in diesem Roman zwischen jedem Wort hindurch. Ja okay: Seinen Humor muss man mögen. Aber: Wer sich darauf einlässt, wird sowohl mit einem Gag-Feuerwerk, als auch einem Gedankenkarussell der besonderen Art belohnt.

PeterLicht: Ja okay, aber.
Tropen, September 2021.
240 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Ein Kommentar zu “PeterLicht: Ja okay, aber

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.